Es sollte ein sehr langer Radtag werden, das wusste ich allerdings morgens um 8 Uhr vor der beühmten Festung in Narva noch nicht. Es hatte die ganze Nacht mächtig geregnet aber pünktlich um 6 Uhr hörte es auf. Frohen Mutes machte ich mich auf den Weg zurück. Ich musste etwa 60 Kilometer pfeilgerade nach Westen fahren und das zumeist auf der vielbefahrenen Hauptroute.
Meine zwei Gegner hießen Westwind und LKWs. Der eine war mega anstrengend, der andere verlangte volle Aufmerksamkeit trotz gut befahrbarem Randstreifen. Ich hatte auch noch Glück, es gab eine 10 km lange Baustelle in welcher nur 30 km/h Gefahren werden durfte, da konnte ich zwar nicht ganz mithalten, aber es fühlt sich anders an, wenn der 20 Tonner an einem vorbeigeleitet als wenn er vorbeidonnert.
Irgendwann war ich dann dort, wo ich nach Süden abbiegen durfte und es blieb zwar der Wind, aber es fuhr sich ziemlich entspannt, zwischendurch gab es dann mal 20 km Buckelpiste mit Naturbelag, ging aber auch ganz gut.
Eine Höhepunkt war der Abstecher in das orthodoxe Nonnenkloster Kuremäe, wirklich sehenswert und irgendwie „magisch“ diese Anlage. Wer genaueres wissen will, muss halt mal googlen.
So ab km 100 wurde es zunehmend anstrengender, das Ziel Peipussee vor Augen, kämpfte ich mich auch durch die schwächeren Momente.
Ja und plötzlich war ich da, am viertgrößten See Europas, der auch eine natürliche Grenze zwischen Estland und Russland darstellt. Irgendwie gigantisch, wie ich mir das auch vorgestellt habe. Kieferbewachsene Ufer und lange zugängliche Strände hier im Norden des Sees. Allerdings ist hier kein Mensch !
Kauksi nennt sich Ferienzentrum, auf dem riesigen Zeltplatz wo ich für 4 Euro incl. warmer Dusche übernachte, sind ganze fünf Personen, stört mich jetzt nicht wirklich, aber es ist Sommer und in Estland sind auch Ferien ! Was ist dann hier ab September los ?
Ich sitze jetzt um 22:00 Uhr direkt am See an eine Kiefer gelehnt und schreibe diese Zeilen. Gerade vorher habe ich ein sehr frugales Mahl zu mir genommen: FinnCrisp, Käse und eine Tüte voll Pistazien, als Nachtisch eine Rippe Schokolade und ein Büchse estnisches Bier.
Hier gibt es ausnahmsweise mal kein WiFi, was wirklich selten ist, sogar in dem oben erwähnten Kloster gab es eine freizugängliche Möglichkeit. Die Bilder ergänze ich dann morgen und bei nächster Gelegenheit steht der Tagesbericht dann auch im Netz.
Morgen möchte ich nach Möglichkeit Tartu, das ehemalige Dorpat erreichen, welches die zweitgrößte Stadt in Estland ist, wenn das klappt lege ich vielleicht ein Ruhetag ein und gucke mir diese interessante Universitätsstadt ausgiebig an.
Jetzt freue ich mich auf meinen kuscheligen Schlafsack im Zelt in einem herrlichen Kiefernwald.