Category: ARCHIV RADTOUREN


Hier einige Impressionen aus Tartu. Die Esten sagen: „Tallinn ist der Kopf Estlands aber Tartu das Herz und das Gehirn“. Eine wirklich sehenswerte und überschaubare Universitätsstadt. Die Älteren werden sich noch erinnern, die Stadt hieß früher mal Dorpat.

 

Eine Anmerkung für meine rotarischen Freunde. Mit Freude habe ich gelesen, daß der Rotary Club Tartu Toome heute Nachmittag um 17 Uhr gerade 100 m bei mir um die Ecke sein Meeting hat. Also bin ich vorhin mal vorbei und habe gefragt, ob der Termin stimmt. Die Antwort war – ja – aber der Rotary Club hat Sommerferien ! Schade, ganz nebenbei bemerkt, wäre ein reiner Frauenclub gewesen.

Ich sitze jetzt an einem herrlichen Sommerabend, nachdem ich doch ein bisschen rund um Tartu geradelt bin, auf einer Restaurant-Terrasse und lasse meinen Ruhetag ausklingen.

Morgen geht es nach Norden in Richtung Tallinn. Ich werde zwei Tage brauchen um die Landeshauptstadt zu erreichen. Rund 900 km bin ich dann auf dieser Nordostschleife geradelt. Meinen „Blauen Elefanten“ habe ich heute gründlich sauber gemacht. Er ist bereit zu neuen Taten.

 

Eine sehr angenehme und ruhige Nacht in dem riesigen Kiefernwald verbracht. Um 8 Uhr rollte mein Fahrrad komplett gepackt „vom Hof“. Es ging nach kurzer Zeit auf eine gute und relativ wenig befahrene Straße entlang des Peipussees.

Bei meinem ersten Stopp traf ich die vier Berliner von vorgestern wieder, die allerdings aus Dresden sind, alles stramme Männer um die siebzig. Das signalisiert mir noch „Luft nach oben“. Einige Zeit fuhren wir immer so auf Sichtweite, bis wir uns in den Dörfern am Ufer aus den Augen verloren.

In Kallaste einem „Seebad“ mit sehr herbem Charme, gab es eine super besetzte Tourist-Info. Die junge Dame war nicht nur hübsch, sondern auch wirklich sehr hilfsbereit. Ich bekam meinen ersten Kaffee des Tages (13:00) von ihr, sie reservierte mir mein Hotel in Tartu für die beiden folgenden Nächte und ich konnte einen schnellen Internetzugang benützen. Darin sind die Esten wirklich Weltmeister, die wählen nicht nur per SMS, die haben in vielen Dörfern einen freien Internetzugang für jedermann, in den Städten sowieso und Hotels, Cafés und Restaurants werben ganz aktiv damit.

25 km weiter habe ich in einem ganz kleinen Fischerdorf geräucherten Fisch aus dem Peipussee gegessen in einer Art Kulturzentrum und dabei eine ganze Menge über das tägliche Leben in dieser Einsamkeit am See erfahren. Der See ist Sommers wie Winters der Mittelpunkt des Lebens der Menschen hier. Rund um ihn leben sehr viele Russen und das Verhältnis zu den „heimatstolzen“ Esten ist eher zwiespältig. Als Nachtisch habe ich mir bei der russischen Oma ein paar Mohrrüben gekauft.

Der restliche Nachmittag ging radtechnisch ziemlich zäh dahin, mal war es der Wind, mal der Belag und so richtig gut saß ich heute auch nicht auf dem Rad.

Nach rund 120 Tageskilometer war ich dann in Tartu, der zweitgrößten Stadt Estlands, die viele als die Perle Estlands bezeichnen . Der Kontrast zur fast russischen Stadt Narva vorgestern könnte nicht größer sein. Eine vor Lebensfreude sprudelnde Stadt, ganz viele junge Leute durch die beliebte Universität und eine sehenswerte Straßengastronomie.

Also genau recht für den Tag Pause morgen. Erstmal ausschlafen, in aller Ruhe frühstücken und dann die Stadt erkunden. Nachmittags ist dann sicher ein bisschen Pflege des Fahrrads angesagt.

 

Es sollte ein sehr langer Radtag werden, das wusste ich allerdings morgens um 8 Uhr vor der beühmten Festung in Narva noch nicht. Es hatte die ganze Nacht mächtig geregnet aber pünktlich um 6 Uhr hörte es auf. Frohen Mutes machte ich mich auf den Weg zurück. Ich musste etwa 60 Kilometer pfeilgerade nach Westen fahren und das zumeist auf der vielbefahrenen Hauptroute.

 

Meine zwei Gegner hießen Westwind und LKWs. Der eine war mega anstrengend, der andere verlangte volle Aufmerksamkeit trotz gut befahrbarem Randstreifen. Ich hatte auch noch Glück, es gab eine 10 km lange Baustelle in welcher nur 30 km/h Gefahren werden durfte, da konnte ich zwar nicht ganz mithalten, aber es fühlt sich anders an, wenn der 20 Tonner an einem vorbeigeleitet als wenn er vorbeidonnert.

 

Irgendwann war ich dann dort, wo ich nach Süden abbiegen durfte und es blieb zwar der Wind, aber es fuhr sich ziemlich entspannt, zwischendurch gab es dann mal 20 km Buckelpiste mit Naturbelag, ging aber auch ganz gut.

 

Eine Höhepunkt war der Abstecher in das orthodoxe Nonnenkloster Kuremäe, wirklich sehenswert und irgendwie „magisch“ diese Anlage. Wer genaueres wissen will, muss halt mal googlen.

 

So ab km 100 wurde es zunehmend anstrengender, das Ziel Peipussee vor Augen, kämpfte ich mich auch durch die schwächeren Momente.

 

Ja und plötzlich war ich da, am viertgrößten See Europas, der auch eine natürliche Grenze zwischen Estland und Russland darstellt. Irgendwie gigantisch, wie ich mir das auch vorgestellt habe. Kieferbewachsene Ufer und lange zugängliche Strände hier im Norden des Sees. Allerdings ist hier kein Mensch !

 

Kauksi nennt sich Ferienzentrum, auf dem riesigen Zeltplatz wo ich für 4 Euro incl. warmer Dusche übernachte, sind ganze fünf Personen, stört mich jetzt nicht wirklich, aber es ist Sommer und in Estland sind auch Ferien ! Was ist dann hier ab September los ?

 

Ich sitze jetzt um 22:00 Uhr direkt am See an eine Kiefer gelehnt und schreibe diese Zeilen. Gerade vorher habe ich ein sehr frugales Mahl zu mir genommen: FinnCrisp, Käse und eine Tüte voll Pistazien, als Nachtisch eine Rippe Schokolade und ein Büchse estnisches Bier.

 

Hier gibt es ausnahmsweise mal kein WiFi, was wirklich selten ist, sogar in dem oben erwähnten Kloster gab es eine freizugängliche Möglichkeit. Die Bilder ergänze ich dann morgen und bei nächster Gelegenheit steht der Tagesbericht dann auch im Netz.

 

Morgen möchte ich nach Möglichkeit Tartu, das ehemalige Dorpat erreichen, welches die zweitgrößte Stadt in Estland ist, wenn das klappt lege ich vielleicht ein Ruhetag ein und gucke mir diese interessante Universitätsstadt ausgiebig an.

 

Jetzt freue ich mich auf meinen kuscheligen Schlafsack im Zelt in einem herrlichen Kiefernwald.

 

Heute morgen war die Sonne weg und ein sturmartiger Westwind gab die Richtung vor. Ich wollte sowieso weiter nach Osten, klar war aber auch dass der Wind den Regen heranblies.

Ich rollte entlang der Steilküste nach Toila und näherte mich damit einer Gegend welche im Frühjahr 1944 heftig umkämpft war und viele Zigtausend Tote auf allen Seiten gesehen hat. Der exzellent gepflegte deutsche Soldatenfriedhof am Rande des riesigen Parks in Toila, auf welchem rund 10000 deutsche Männer zwischen 18 und 35 Jahren liegen, hat mich mächtig traurig gestimmt. Am Narvaufer kurz vor der Stadt Narva ist ebenfalls noch ein riesiger deutscher Friedhof, der schon 1943 von der Wehrmacht benutzt wurde und heute von der Deutschen Kriegsgräberfürsorge liebevoll gepflegt wird.

Das sollte eine ganze Weile so bleiben, zumal es heftig zu regnen begann und ich später eine ganze Reihe von Gedenkstätten zur Erinnerung an die Schlachten rund um Narva passierte.

Im Läufe des Nachmittags erreichte ich die Mündung der Narva in den Finnischen Meerbusen und einen Steinwurf entfernt liegt das russische Ufer, welches nach dem Krieg bis zur Wende keine wirkliche Grenze war. Heute stellt es in der Tat eine EU-Außengrenze dar. Diesen nordöstlichsten Punkt meiner Tour begoss ich mit einem großen Wodka, der mir für einige Kilometer ganz schön in die Beine fuhr.

Ab Toila bin ich heute quasi in der Gegenrichtung auf dem Europaradweg R 1 gefahren, der von Sankt Petersburg via Berlin nach Boulogne-sur-Mer führt. Zunächst bin ich einem österreichischen Pärchen begegnet mit Ziel Berlin und später noch vier Berlinern im strömenden Regen, die auf meine Frage „wohin“ nur nach Hause antworteten, da liegen allerdings noch etliche Kilometer dazwischen.

In der Tourist-Info in Narva traf ich drei Jungs aus London, die mit wenig Gepäck und schnellen Rädern 3500 km von London über Berlin hier in Narva auf die letzte Etappe bis Sankt Petersburg gehen (150 km). Zu Beginn der Olympiade wollen sie wieder in London sein (allerdings nicht mehr mit dem Rad).

Diese Begegnungen und die kurzen Gespräche über Routen und Wege auf Europas Straßen sind immer wieder willkommen und stellen eine zusätzliche Motivation dar. Beim Einchecken im Hotel gab es noch einen netten Austausch mit einigen Jugendlichen aus Sankt Petersburg, die zu einem Eishockey-Trainingslager hier in Narva sind und meinen vollgepackten „Blauen Elefanten“ bestaunten.

Über den Fluß hinüber liegt Iwangorod und die Grenze nach Russland. Hier in Narva ist die Bevölkerung überwiegend russisch und was ich so an Wohnblöcken gesehen habe ist erschreckend, da sind die Wohnblöcke in AB-Damm als gerade luxuriös zu bezeichnen. Der absolute Tiefpunkt war das Durchfahren der ehemals „Geschlossenen Stadt“ Sillamäe, das war das Uranzentrum der UdSSR und jahrzehntelang auf keinen Landkarten vorhanden.

Morgen geht es in grober Richtung nach Südosten. Das Ziel in einigen Tagen heißt Tartu, das ehemalige Dorpat, die zweitgrößte Stadt hier in Estland. Allerdings muss ich morgen früh erstmal rund 50 km auf der Hauptroute der E 1 nach Westen zurückfahren, ehe ich dann Richtung Peipussee abbiegen kann. Na ja, vielleicht ist der Westwind von heute morgen mein Freund.

 

Ein strahlend blauer Tag begrüßt mich heute morgen als ich Rakvere verlasse. Ich orientiere mich im Moment ja im wesentlichen an die estnischen Fahrradrouten, im Moment konkret der Nummer 1 bis Narva. Nachdem ich die Route gestern Nachmittag verlassen hatte musste ich heute morgen erstmal rund 30 km quasi zurück auf den 1er, das ging mal wieder nicht ganz so perfekt, aber irgendwie kommt man doch immer wieder auf die Spur.

Die Küste verändert sich nach Osten zu und wird mehr und mehr zur Steilküste, das war immer mal wieder auch im Hinterland spürbar, ein bisschen Wind kam dann auch entgegen, na ja und der eine oder andere Kilometer war etwas mühsam.

Als ich Kunda erreicht hatte, die angeblich hässlichste Stadt Estlands, mit einem riesigen Zementwerk und alles etwas grau, war ich wieder auf dem Weg mit der Nummer 1.

Ich hatte das Vergnügen für rund 6 km die stark frequentierte Hauptroute Tallinn – St. Petersburg befahren zu müssen, später führte die Route über Schotter auf eine Naturpiste. Mit rund 35 kg Gepäck wackelst du da schon mal und prompt rutschte mir das Hinterrad weg, gottseidank blieb ich auf den Beinen und die Packtaschen dämpfen schon mal den Ausrutscher.

Irgendwie stellte sich nach weiteren 25 km Piste ein wenig Unlust ein und als ich direkt auf das herrlich gelegene Saka Cliff Hotel zurollte, entschied ich mich am Sonntag schon um 16 Uhr Feierabend zu machen.

Nach einem ausgiebigen Strandspaziergang traf ich einen „Artgenossen“ aus Schweden, der bereits seit vier Wochen durch Estland radelt. Er wählte die Variante Campingplatz in unmittelbarer Nähe des Hotels.

Morgen geht es an den östlichsten Punkt meiner Reise nach Narva, welches heute quasi das Ende Europas an der Grenze der russischen Föderation darstellt.

Kleiner Nachschlag noch zum Sonnenuntergang am Sonntagabend hier ganz im Nordosten Euopas.