Category: 2013 NORDKAPP


115 km / 366 hm / 7:21 h – Gesamt 4077 km / 24879 hm / 253:16 h

Der Mittsommertag ist ein Feiertag in Finnland und gilt auch als Flaggentag. An vielen Häusern sieht man die finnischen Fahnen wehen und wie sie wehten, es gab kräftigen Wind und natürlich von vorne in meiner Fahrtrichtung. Gefeiert wird wohl eher am Abend vorher. Ich habe auf der ganzen Strecke kaum Menschen auf ihren Grundstücken gesehen.

Ich starte sehr zeitig in einen sonnigen Tag, der tourtechnisch als langweilig einzuordnen ist. Sodankylä als einzige echte Ansiedlung in Richtung Rovaniemi liegt gegen frühen Mittag im feiertäglichen Tiefschlaf. Keine Menschenseele auf der Gasse, außer ein deutscher Bus aus Kiel dessen Insassen pflichtschuldig die Kirche besichtigen. Kurz vor der Einfahrt ist mein Tacho auf 4000 km gesprungen.

Etwa 10 km hinter Sodankylä überholt mich bergauf ein finnischer PKW und die beiden Männer im Fahrzeug steigen am Ende des Berges aus und stellen sich mir mit einer Flasche Cola in den Weg. Es waren die beiden Schweizer „Goldgräber“ aus Ivalo von denen ich berichtet hatte, auf dem Weg nach Rovaniemi zum Flug nach Hause. Nette Geste fand ich.

Später am Nachmittag, im gerade beginnenden Regen, traf ich eine witzige Französin, die auch schon einige Monate unterwegs ist, mit ihrem Hund im Anhänger, auf dem Weg zum Nordkap. Geplantes Rückkehrdatum – Ende September.

Etwa 65 km vor Rovaniemi der größten Stadt in Nordfinnland (rd. 60 Tsd. Einwohner) am Polarkreis gelegen und Wohnsitz des Weihnachtsmannes, mache ich unmittelbar an der E 75 Station in einem einfachen Motel. Vielmehr Möglichkeiten gab es nicht, außer mit etlichen Umwegskilometern.

Ich werde morgen am frühen Nachmittag in Rovaniemi sein, ob ich mir „Santa Claus Village“ mitten im Sommer antue, weiß ich noch nicht.

 

116 km / 698 hm / 7:20 h – Gesamt 3962 km / 24513 hm / 245:55 h

Meine beiden letzten großen Touren haben beide am 40. Tag geendet. Das war diesmal im Vorfeld schon klar, dass 40 Tage nicht reichen werden.

Heute ist Mittsommernachts-Vorabend und da wird auch im finnischen Lappland gefeiert. Ich bin hier auf einem schön gelegenen Campingplatz in Peurasuvanto in einer komfortablen Hütte gelandet.

Habe gerade exzellenten Lachs zu Abend gegessen, während um mich rum schon hektisch für die nachher an den Start gehende Karaoke-Party aufgebaut wird. Das Mädel an der Rezeption hat mir gleich beim einchecken gesagt, das es laut und lange werden wird. Was soll's, die Alternative wäre 50 km weiter gewesen, das musste nicht wirklich sein, zumal da bestimmt auch gefeiert wird. Ich gucke mir das mal bei einem Bier ganz relaxt an und dann Augenbinde und Ohrstöpsel und alles ist gut.

Unterwegs hatte ich heute erst einen Italiener getroffen, der ziemlich frustriert über die finnischen Verhältnisse war (Kälte und Kaffeepreise). Anmerkung für Honigbrummler: Könnte der Bruder des schwarzen Mannes von der Meraner Hütte sein !!! Er fährt die Radroute „Eiserner Vorhang“ ist aber erst ganz am Anfang, da muss die Frusttoleranz steigen, ich denke entlang der russischen Grenze wird es noch einige Entbehrungen geben.

Später habe ich in der Gegenrichtung ein nettes, junges Schweizer Pärchen getroffen, die seit Anfang April unterwegs sind. Sie fahren maximal 50 – 60 km am Tag, das ist wenig, ist mit Sicherheit aber eine Altenative zum „Kilometerschrubben“.

In Tankavaara gab es vor rund 150 Jahren den letzten Gold-Rush in Europa. Tatsächlich werden hier noch heute Meisterschaften im Goldwaschen ausgetragen. Gestern auf dem Campingplatz habe ich einen Schweizer gesprochen, der nächsten Sommer nach seiner Pensionierung, sich seinen Lebenstraum als Goldwäscher erfüllen will und gerade auf Vorbereitungstour ist. Auch 'ne coole Geschichte.

Entlang der E 75 ist die Infrastruktur deutlich besser als in Nordschweden und Nordnorwegen. Alle 25 bis 30 km gibt es irgendeinen Kiosk mit leckeren Dingen zum Essen und vor allem Kaffee. Irgendwie habe ich mich an diesen Refill-Filterkaffee gewöhnt.

Langsam aber sicher nähere ich mich wieder dem Polarkreis, diesmal allerdings von Norden kommend.

 

102 km / 598 hm / 6:15 h – Gesamt 3846 km / 23815 hm / 238:35 h

Ein eher unspektakulärer Tag auf dem Rad entlang der unendlichen Arme und Teile der riesigen Inariseen.

Begonnen hat er mit einem gemeinsamen Frühstück mit meinem Hüttennachbar, einem in Dresden lebenden Österreicher, der mich netterweise morgens zum Kaffee eingeladen hat. Er bricht heute seine Tour hier in Partakko aus gesundheitlichen Gründen ab und versucht irgendwie per Bus wegzukommen.

Gleich nach dem Losfahren wurde ich ungefähr 20 km lang von ungefähr 30 dieser großen Biester regelrecht verfolgt. Ich habe dabei gelernt bis 15 km/h sind sie äußerst geschickt im Angriff, bis 20 km/h können sie nicht mehr wirklich auf mir landen und darüber fallen sie zurück. Blöd war nur, dass in dieser Phase etliche Steigungen zu bewältigen waren und da kamen die Angriffe. Ich blieb Sieger, habe keinen einzigen Stich davongetragen und irgendwann waren sie plötzlich ganz weg.

Smokend Fish war leider heute nicht zu bekommen, aber für ein Lachssandwich hat es gereicht.

Später gab es hie und da noch einige Rentiere und beim Erreichen der E 75 eine der Hauptrouten Nord/ Süd in Finnland plötzlich deutlich stärkeren Verkehr (bin ich nicht mehr gewöhnt). Die Finnen fahren gefühlt aggressiver als die Schweden und Norweger.

Einige größere Regenwolken überbrückte ich mit einer Mittagspause in Inari, dem ehemaligen Hauptort der Region, der allerdings 1944 beim Rückzug der deutschen Truppen dem Erdboden gleichgemacht wurde. In den folgenden Jahrzehnten hat sich das Zentrum der Region hierher nach Ivalo verlagert. Mit rund 4000 Einwohnern schon eine größere Ansiedlung 300 km nördlich des Polarkreises.

Ich habe mir wieder eine dieser praktischen kleinen Hütten gemietet, das ist einfach bequemer als im Zelt.

 

155 km / 998 hm / 9:28 h – Gesamt 3744 km / 23217 hm / 232:20 h

Mit frischem Mut und gut ausgeruht habe ich mich heute in Kirkenes auf den Heimweg gemacht. Im wesentlichen geht es jetzt nach Süden. Die Richtung nach Murmansk habe ich dann doch nicht eingeschlagen, eingedenk meiner Erfahrungen im vergangenen Jahr in Kaliningrad, zieht es mich mit dem Fahrrad nicht nach Russland.

Nach 50 km lag Norwegen hinter mir und ich rollte über die finnische Grenze in ein Seen- und Waldgebiet, welches im Vergleich zu den arktisch kargen Etappen der letzten Tage vor dem Nordkap, richtig erfrischend für Auge und Gemüt wirkte. Ab jetzt gilt die finnische Zeit, das heißt + 1 h.

Rentiere gab es heute auch noch einmal ganz viele. Die haben im Moment Kälber und das sieht putzig aus, wenn das Kleine hinter seiner Mama herspringt.

Es wurde ein intensiver Radtag und ich näherte mich rasch den Inariseen, wohl eine der größten Seenlandschaften Europas. Hier gibt es auch die großen Inari-Mücken, bisher bin ich allerdings weitgehend verschont geblieben.

Tagsüber war ich ziemlich fest auf Zelten eingestellt, es war ordentliches Radwetter in kurzer Hose, allerdings ein wärmeres Teil muss ich oben anhaben. Je länger ich in den Abend hineinfuhr, desto frischer wurde es und eine dunkle Wolkenwand am Horizont ließen es mir angeraten sein, hier auf einem winzigen Zeltplatz in Partakko, ein warmes Hüttchen zu beziehen.

Bilder gibt es heute nicht, dafür langt hier die Ladefrequenz nicht. Das hole ich beim nächsten Wi-Fi nach, spätestens in Ivalo.

 

Die Passage auf dem Schiff nach Kirkenes war ein echter Relaxtag und -nacht. Bei fantastischem Wetter sind wir in der Barentssee entlang der Nordküste Europas gefahren.

Mitternachtssonne satt und große Aufregung als einige Wale am Schiff vorbeizogen.

Das Buffett zum Dinner entsprach den Anforderungen, die Hansarthur kommentiert hatte und ich habe mir mit bester Seafood wirklich den „Bauch vollgeschlagen“.

In der Nacht hatte ich das gesamte Panoramadeck für mich und habe hervorragend bis zum Frühstück um 7:00 Uhr geschlafen.

Gegen 9:30 Uhr werden wir in Kirkenes sein, was die Norweger übrigens „Schirkenes“ aussprechen.

Die Region hier oben hatte im Zweiten Weltkrieg eine große Bedeutung. Kirkenes wurde maximal bombardiert, da die Deutschen von hier aus vergebens versucht haben die Versorgungslinie der Allierten über Murmansk in den Griff zu bekommen. Die russische Grenze ist gerade mal 10 km entfernt und die finnische rund 50 km.

Kirkenes ist wie die meisten Städte hier oben mit rd. 4000 Ew. sehr übersichtlich.

Ich habe einen kundigen Radschrauber gefunden, der mir glaubhaft versichern konnte, dass Kurbeln und Tretlager absolut in Ordnung wären, wo letztlich das Geräusch herkommt ist offen geblieben, scheint aber nicht wirklich relevant zu sein.

Am Nachmittag habe ich das Rad gründlich sauber gemacht, meine Wäsche gewaschen und diverse Einkäufe für die einsamen Straßen im finnischen Lappland getätigt. Damit ist klar, ich mache mich morgen nach dem Fruhstück auf den ca. 1500 km langen Weg hinunter nach Helsinki in Südfinnland. Die Wetterprognosen unterstützen dieses Vorhaben und ich habe jetzt einfach Lust noch einige Tage in grober Richtung Heimat zu radeln.

Somit könnte sich eine große Kurve durch Europa auf meiner persönlichen Radkarte schließen, bin ich doch im vergangenen Jahr von Helsiniki aus nach Berlin gefahren.