Category: ARCHIV RADTOUREN


Der heutige Ruhetag bietet sich an, mal so einige Wahrnehmungen aus Sicht eines fahrradfahrenden Ausländers aufzuschreiben:

  • Zu allererst das Märchen von den „Schönsten Frauen Europas. Also es gibt sicher viele attraktive Frauen hier, aber die sind auch nicht schöner als bei uns oder in anderen Ländern Europas.
  • Die Esten sind wohl das „internet-affinste Volk“ in Europa. Es gibt kaum einen Platz oder Ort an dem nicht freier Internetzugang möglich ist. Entsprechend hoch ist auch die Nutzung und die Durchdringung mit Smartphones.
  • Die Esten sind manchmal etwas ungestüme Autofahrer, aber sehr fair zu dem „armen Radfahrer“. Ich wurde noch nicht einmal angehupt.
  • Es gibt gefühlt insgesamt weniger Verbote in der Öffentlichkeit. Manchmal erwarte ich – typisch Deutsch – dass jemand kommt und mir sagt, das Fahrrad können sie da aber nicht hinstellen. Ist auch noch nicht passiert.
  • Was die Freundlichkeit der Menschen angeht, zumindest in den Teilen des Landes, wo ich bisher gefahren bin, war es nicht so weit her. Ich grüße prinzipiell vom Fahrrad alle Leute oder winke den Leuten auf den Feldern zu, da kam bisher wenig Resonanz.
  • Die Einkaufsmöglichkeiten, speziell im flachen Land, sind sehr rustikal und entsprechen unseren Läden aus den 50er und 60er Jahren. Meist steht dann auch tatsächlich „Tante Emma“ hinterm Tresen.
  • Die junge Generation spricht sehr gut und gerne Englisch. Hie und da habe ich schon junge Leute getroffen, die sich auch mit der deutschen Sprache beschäftigen.
  • Estland ist exzellent bereisbar gerade auch mit dem Fahrrad.

 

Es ist ein brütend heißer Hochsommertag heute in Tallinn. Das Thermometer zeigt schon um 9 Uhr über 30 Grad. Ich radle die knapp 2 km vom Hotel zur Altstadt und bin überrascht welche Menschenströme bereits so früh am Sonntag unterwegs sind. Das Pflaster in der Altstadt ist nicht wirklich fahrradgeeignet und da mein „Blauer Elefant“ ja ohne Federgabel auskommt, bin ich froh dass es einen „Fahrradwächter“ gibt. Ich binde mein Fahrrad fest und erkunde gute zwei Stunden die Stadt, immer wieder höre ich mal in irgendwelche Führungen hinein, bewege mich aber nach freiem Gefühl. Die Stadt ist wirklich unbeschreiblich schön.

Durch einen Zufall komme ich zu einem orthodoxen Gottesdienst in der Alexander Nevski Kahedrale, da wird ein bisschen die russische Seele für mich spürbar.

Irgendwann bin ich so ermattet, dass ich mir in einem herrlich schattigen Innenhof einen Kaffee gönne. Später besorge ich mir in einer großen Shopping-Mall noch eine ordentliche Landkarte für den Westen des Landes.

Eine Stunde schaue ich mir das sonntägliche Treiben der Einheimischen am Strand an, bevor ich mich dann in den riesigen und super gepflegten Kadriorg-Park begebe. Nach dem Trubel in der Stadt ist das eine echte Oase der Ruhe, die ich dann auch mit überwiegend Einheimischen und wenig Touristen teile.

Morgen starte ich nach Westen um die nächsten Tage dann die beiden großen Inseln zu besuchen. Ich werde im Westen, bei vorhergesagtem gutem Wetter, häufiger das Zelt nützen. Also wenn mal ein Blog-Eintrag ausbleibt bin ich nicht verschollen, sondern außerhalb der WiFi-Welt.

 

Das Frühstück in der „Jugendherberge“ war sehr ordentlich. Nachts war es mal ein bisschen laut, aber ich war ziemlich müde und habe sehr gut geschlafen.

Kurz nach 8:00 Uhr saß ich auf dem Rad und bin ganz locker los gerollt. Nach ca. acht Kilometern hätte es noch eine Übernachtungsalternative zu gestern gegeben. Die nächsten fast 40 Kilometer waren dann nur Landschaft und völlig unbesiedelt. Aus einigen Infotafeln habe ich mir zusammengeklaubt, dass diese Ecke fast 40 Jahre lang ein russisches Truppenübungsgelände gewesen war. Das war für mich so nicht mehr zu erkennen, allerdings eine herrliche Landschaft, wie man sie mit Skandinavien und natürlich auch Estland verbindet.

Auf Tallinn zu nahm der Verkehr dann deutlich zu. Um der meist lästigen Suche der Unterkunft in einer großen Stadt zu entgehen, habe ich am Stadtrand meinen Garmin auf das von Tartu aus gebuchte Hotel routen lassen. Siehe da, ich bin wunderbar entspannt, trotz samstäglichem Großstadtverkehr ans Ziel gekommen.

Unmittelbar an meinem Hotel ist die Talliner Open-Air-Bühne, wunderschön gelegen, wo schon alles für das Konzert der Red Hot Chilli Peppers am Montag gerichtet wird.

Ich bin jetzt knapp 900 km in Estland geradelt und quasi wieder am Startpunkt vom 20.7. (nach Transfer mittels Fähre von Helsinki) angekommen. Die große Nord-Ost-Schleife ist damit beendet.

Heute Abend und morgen gucke ich mir Tallinn in Ruhe an und Montag beginnt dann der „West-Loop“ an der Küste entlang und hinaus auf die beiden großen estnischen Inseln.

Einige Impressionen noch aus dem hochsommerlichen Tallinn. Beim Abendessen traf dann ein Rindvieh auf den „Blauen Elefanten“, da wurde kurzerhand das Schloß dran festgemacht.

 

Gegen 19 Uhr musste ich mich entscheiden, d.h. ganz bis Tallinn zu fahren oder eine der letzten stationären Möglichkeiten wahrzunehmen. Die Ecke hier im Südosten von Tallinn ist touristisch nicht besucht, das erklärt die wenigen Möglichkeiten. Bei durchgängig 28 Grad heute und über 150 km in den Beinen hatte ich „keinen Bock“ beim Wildzelten auf die Dusche zu verzichten.

Ich bin in Jäneda vom Rad gestiegen und übernachte im Küalistemaja, das ist so eine Mischung aus Guest-House und Jugendherberge. Das Zimmer ist einfach, aber okay. Im Winter wird das Haus als Trainingscenter für Ski-Nordisch verwendet. Ansonsten ist ist hier eher „Prärie“ angesagt und wie immer und überall, perfekter freier W-LAN Zugang.

Für heute reichts mir auch, es ist jetzt neun Uhr, ich werde mir noch ein bisschen die Beine vertreten und dann tief schlafen. Morgen rolle ich dann entspannt nach Tallinn, wo ich mir für zwei Nächte ein Quartier organisiert habe.

 

Heute ist Transfertag, d.h. Strecke machen. Das Ziel ist möglichst nahe an Tallinn heranzufahren. Morgen und Sonntag habe ich mich am Stadtrand von Tallinn einquartiert. Ich bin im Moment, d.h. 15 Uhr rund 100 km seit Tartu gefahren. Bis Tallinn fehlen aber noch 100 km. Es ist sehr heiß heute und aktuell gönne ich mir eine richtige Mittagspause. Mal sehen wo ich dann heute Abend mein müdes Haupt niederlegen werde.

Es gab mal wieder unzählige Störche entlang der Route, bei 50 habe ich zu zählen aufgehört.