Category: 2015 BENELUX – FRANKREICH


Mit Meeresrauschen eingeschlafen und auch wieder aufgewacht. Wieder ein wunderbarer Sonnentag mit frischem Wind und guter Fernsicht.

Nach einem typisch französischen Frühstück saß ich gegen 9 Uhr auf dem Rad und befürchtete das Schlimmste, nach einer Stunde hatte ich schon über 300 Höhenmeter im stetigen Auf- und Ab.

Aber es kam anders – es war so ein typischer Streckentag – plötzlich wurde die Küste flach und ich fuhr auf einer Straße mit bestem Belag bei neutralem Wind. Eigentlich ein bisschen langweilig – rechts das Meer – dazwischen aber ein 1 bis 3 km breiter Agrarstreifen und das wars. Es gab auch kaum was zum Fotografieren.

Die Kilometer rauschten so dahin – ich saß gut und hatte gute Beine. Ein Mittagsstopp mit den hier an jeder Ecke erhältlichen Moules + Frites (sehr lecker) und später ein kurzes Nickerchen und schon hatte ich 100 km auf der Uhr.

Gegen Spätnachmittag wurde es wieder wellig und etwas südlich von Granville habe ich an einer endlosen Bucht mein Zelt aufgestellt. Vor einer Stunde kam die Flut und jetzt brandet es heftig gegen die Ufersteine. Jetzt gegen 22:30 Uhr fällt die Sonne ins Meer und ich werde mich in meinen Schlagsack verkriechen

Meine vage Idee mit einem Abstecher auf die Kanalinseln habe ich aufgegeben, das geht sich zeitlich nicht aus. Morgen geht es in die Bretagne und an deren Ende ist die Loire-Mündung – da will ich hin und an der Loire langsam aber sicher in Richtung Heimat fahren.

 

Heute war ein Tag, wie ich ihn schon so oft auf meinen Touren erlebt habe und irgendwie macht das denke ich auch den Reiz für mich aus.

Aber der Reihe nach – Als ich aufwache plätschert es sehr stimmungsvoll auf mein Zelt und mir ist klar, dass ich nasses Equipment einpacken werde. Also habe ich mir erstmal Zeit gelassen, da nasser als nass ja nicht geht. Mit meinem kleinen Zauberkocher habe ich mir einen Kaffee „gezaubert“ und überlegt, wie ich am intelligentesten mein „Zeug“ verstaue.

Das hat alles gut funktioniert und ich bin in der Regenausrüstung, mit Überschuhen etc. losgeradelt. Im Ort Barfleur habe ich noch einen Koffeinstoß mitgenommen und auf ging's nach Cherbourg – gegen den Wind und mit Regen. Irgendwann war ich dort und der Himmel zeigte blaue Lücken und es hörte zu regnen auf. Cherbourg ist eine lebhafte Hafenstadt – von hier gibt es u.a. täglich Direktverbindungen nach Irland.

Plötzlich überkam mich die Lust auf etwas Süßes.

Im Tourist Office habe ich die Fährmöglichkeiten auf die Kanalinseln gecheckt und schon fast verworfen. Die Lady interessierte sich für meine Route und gab mir mit auf den Weg, dass es zum Cape La Hague sehr hügelig werden würde. Sie hat nicht übertrieben und am Ende des Tages hatte ich über 1000 Höhenmeter zusammen. Das geht nur mit einem „guten Kopf“ neben den Beinen, wenn du gerade auf 130 hm angekommen bist und siehst dass es wieder auf Meereshöhe hinabgeht.

Gleich hinter Cherbourg – als die Sonne wirklich richtig da war – habe ich mein nasses Zeug ausgepackt und nach 20 Minuten war alles wieder trocken. In der Zeit hatte sich ein netter Franzose zu mir gesetzt, der ganz viel wissen wollte zur Ausrüstung etc., da er selbst plane einmal rund um Frankreich zu fahren.

Es wurde ein perfekter Radtag – mit tollem Licht und frischem Wind. Faszinierend für mich – wie immer – wenn ich irgendwo „Lands End“ erreiche Cap La Hague. Erschreckend eine fast 45 minütige Fahrt entlang der riesigen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague – welches wie eine Trutzburg – in der Region steht.

 

Ziemlich am Ende meiner Energie bin ich in dem kleinen Hafenörtchen Dielette gelandet, habe wie gewünscht ein Zimmer in einem kleinen und sehr alten französischen Hotel – direkt am Meer und wunderbarem Blick. Ein Bett – eine warme Dusche und ein gutes Menü – a la Maison – im Restaurant.

Aus einem Tag der ziemlich Sch…. begann ist ein wunderschöner und mächtig anstrengender Radtag geworden (sh. Einleitung). Manchmal gehts natürlich auch andersrum – aber heute war es so und prima.

 

Drei Wochen bin ich jetzt bereits unterwegs und manchmal bringe ich die Stationen garnicht mehr zusammen, da helfen mir mein Tagebuch und der Blog wieder auf die Sprünge.

Gleich nach dem Losfahren heute morgen – ich bin erst um 8:30 Uhr aufgewacht – habe ich einen Abstecher zur Pointe du Hoc gefahren. Alle wichtigen Plätze an den Landungsküsten sind touristisch perfekt aufbereitet. Es gibt Doku-Zentren, Museen und mehrsprachige Erklärungstafeln und Broschüren, so dass sich jeder Besucher mit unterschiedlicher Tiefe informieren kann. Die Erstürmung der strategisch eminent wichtigen Pointe du Hoc ist ein militärisches Meisterstück der US-Amerikaner gewesen und hatte einen hohen Preis an Menschenleben gefordert.

Einige Kilometer weiter habe ich das westliche Ende des D-Day-Geländes mit dem Utah-Beach erreicht. Im Verlauf spürte ich dies am wieder abnehmenden Verkehr und ich kam ins Département Manche, welches auch noch zur Basse-Normandie gehört.

In Isigny-sur-Mer war Wochenmarkt und es wurden riesige normannische Bratwürste gebrutzelt, da musste eine her. Mega lecker, nur der Senf war so scharf, dass mir die Tränen kamen. In den Nachmittag hinein musste ich durch häufiges Aufsuchen der Gebüsche dieser Region, der Wurst – oder dem Senf – meinen Tribut zollen.

Es gibt einen „Eurovelo-Weg Nr. 4“ der von der Bretagne bis glaube ich nach Russland führt. Bisher hatte ich noch keine Markierung dazu gesehen, hier in der Manche fand ich erstmals das Wegzeichen.

Ich nutzte den Tag und die Sonne bis gegen 20 Uhr, dann hatte ich Lust auf ein Chambre d'Hotes, die Lady hatte aber noch keine Lust auf einen Gast und erklärte mir – vor sichtbar unbelebtem Haus – sie wäre ausgebucht. Ein schnuckeliges Hotel mit Meerblick fand ich in Barfleur auch nicht, so dass ich mit dem Camping Municipal zufrieden war. Blitzblanke Sanitäranlagen und eine herrliche Dusche und mein 21. Radtag ging im Zelt zu Ende.

Leider hat es jetzt am Morgen zu regnen angefangen und es sieht so aus als ob ich erstmals auf der Tour nasse Ausrüstung einpacken werde – jetzt um acht Uhr bleibe ich erst nochmal gemütlich im warmen Schlafsack. Mal sehen wie sich der erste Tag der vierten Radwoche auf dem Weg nach Cherbourg entwickelt.

 

Beim Aufstehen habe ich gedacht „heute habe ich nicht wirklich Lust zum Fahren“. Nach 4 km im Ortskern von Ouistreham habe ich in aller Ruhe Kaffee getrunken, mein Handy geladen (Ulli Brass hat mir dankenswerter Weise zwei hilfreiche – höfliche Fragesätze geschickt) und bin bei bestem Wetter und kaum Wind unmittelbar am Strand entlang gerollt.

Die Stopps kamen von allein, da immer wieder „Memorials“ zu sehen und zu lesen sind. Sword Beach – Gold Beach und später der berühmte Omaha-Beach.

Kurz vor Courseulles-sur-Mer, der Partnergemeinde von Goldbach hatte ich kurzen Kontakt mit einer französischen Familie – zwei Kinder auf den Rädern vorne drauf und bepackt, wie die Esel, sind sie vor sechs Wochen in Bordeaux gestartet und wollen in zehn Wochen in Dänemark enden. Der Ehemann hat ein Sabbatical und das lebt die ganze Familie auf dem Rad aus. Also – nicht nur ich bin verrückt.

In Courseulles – übrigens ein ganz netter Ort – viel schöner als Goldbach konnte ich einer Austerndegustation nicht widerstehen und wieder kam ich nicht voran.

Am Omaha-Beach angekommen musste ich an den Vortrag von Berthold Orschler im Rotary Club denken, der uns detailliert die Landungsstrategie der Amerikaner hier am 6. Juni 1944 erklärte. Ein riesiger Friedhof gefallener US-Soldaten erinnert eindrucksvoll daran.

Am westlichen Ende der Bucht gibt es einen wunderbar gelegene Campingplatz mit bester Aussicht auf den Beach und die ganze Bucht. Dort genieße ich aktuell mein Feierabendbier zumal die Sonne hier in diesen Tagen nicht vor 23 Uhr verschwindet.

Ich habe auch kein schlechtes Gewissen, dass meine heutige Fahrleistung eher einem gemütlichen Kaffeeausflug gleichkommt.

Morgen neues Spiel – neues Glück. Ich verlasse Calvados und komme ins Département Manche – den Utah-Beach habe ich mir auch für morgen aufgehoben.

 

Der Start in den Tag geht im Hotel etwas weniger aufwändig – als im Zelt. Das erste Ziel für heute war, die Pont de Normandie, eine imposante Schrägseilbrücke, als Radfahrer zu erreichen. Klar war es gibt eine – wenn auch schmale – Radspur um hinüber auf die andere Seite der Seine zu kommen.

Über meine Probleme mit dem Rad und Brücken hatte ich ja schon aus Portugal und Schweden in früheren Berichten mich ergangen. Als die Brücke nach gut 6 km zu sehen war, hieß es „Durchfahrt verboten“ für Radler. Ich hielt mich daran und fuhr in die Irre – es wurde ein Umweg von 2x 8 km an einem Kanal entlang, um wieder – diesmal auf der anderen Seite des Kanals auf „Durchfahrt verboten“ zu stoßen.

Diesmal hielt ich mich nicht daran und fuhr die Rampe mit viel Adrenalin auf der Autobahn hinauf und zu meiner Überraschung sah ich erst dann die wirkliche Brücke über die Seine. Da gab es besagte Spur für „Cyclistes“ und nochmal hoch um das Département Calvados endlich zu erreichen.

Kurz vor Honfleur traf ich die beiden Männer aus den USA bzw. Kanada, eine Viertelstunde „Radlerlatein“. Sie sind in London gestartet und wollen über die Bretagne nach Irland.

Honfleur ist ein bezaubernder Ort, der allerdings von Kreuzfahrern überschwemmt wird, 3000 AIDA-Deutsche waren mir zuviel und ich rollte entlang der Küste auf das ehemals mondäne Seebad Deauville zu.

Gegen frühen Abend erreichte ich bei Bénouville die Ostgrenze der Landungsstätten der Allierten. Hier ist die berühmte Pegasusbrücke am Caen-Kanal, an welchem die Briten gleich nach Mitternacht am 6. Juni 1944 mit bemannten Gleitfliegern gelandet sind und damit die Nachschubroute der Deutschen aus dem nahen Caen und Kontrolle hatten. Major John Howard ist ein echter englischer Kriegsheld und wird noch heute in Gedenkfeiern verehrt.

An der Gedenkstätte wehen die Fahnen der Alliierten und mit Stolz wird auf die für das Kriegsende 1945 so wichtigen Erfolge an der Westfront hingewiesen. Das macht mich selbst als Nachgeborener nachdenklich und auch traurig.

In fußläufiger Entfernung habe ich die Nacht auf einem ordentlichen Campingplatz verbracht.