Category: ARCHIV RADTOUREN


15. Dez. 2014 – Montag

Ushuaia

Der erste Tag ohne Radfahren begann zeitig morgens. Ich teilte mir nochmal das Zimmer mit Barry, mittlerweile sind wir schon ein eingespieltes Team.

Der Vormittag stand im Zeichen des Radeinpackens. Lucho unser peruanischer Radspezialist hat das weitgehend für mich übernommen. Die Hoffnung ist, dass der Karton den Transport morgen nach Buenos Aires überlebt. Wenn ich ihn erstmal auf der Lufthansa-Maschine am kommenden Donnerstag habe, dann kann nichts mehr schief gehen.

Nach ausgiebigem Stadtbummel bin ich mit Alfred auf eine wunderbare Bootstour auf dem Beagle-Kanal gegangen. Fünf Stunden haben wir die atemberaubende Landschaft vom Wasser aus genossen. Kormorane, Seelöwen und Pinguine waren das Tüpfelchen auf dem I.

Hier einige Impressionen:

 

108. Etappe – Tolhuin – Ushuaia 105 km – 1178 hm / Gesamt-Km: 2442

Eine trockene und weitgehend windstille Nacht ging zu Ende als wir gegen 6 Uhr zum letzten Mal auf dieser Tour unsere Zelte abbauten. Eine günstige Situation, da das Campingequipment gleich final eingepackt werden konnte.

Die gute Nachricht am Morgen war, daß es Michelle soweit gut geht, daß sie mit dem Truck mit uns nach Ushuaia fahren kann.

Vor der letzten Etappe gab es eine gewisse Unsicherheit, was den Wind anging, da immerhin über 1000 Höhenmeter auf den rund 100 km anstanden und unsere Fahrtrichtung auf Gegenwind schließen ließ.

Was soll ich sagen, die Sorge war unberechtigt. Wir erlebten zum Abschluss unserer Südamerikatour einen in allen Belangen – Landschaft – Wetter – Wind großartigen Radtag.

Nach etwa 45 km ging es eine lange Auffahrt hinauf zum Paso Garibaldi in eine alpine Berglandschaft. Bei km 80 war unser letzter gemeinsamer Lunch angesetzt und es wurde gewartet bis alle Teilnehmer da waren.

Anschließend ging es unter Polizeieskorte weitgehend talwärts nach Ushuaia. Der obligatorische Fotostopp am Ortseingang von Ushuaia. Eine Ehrenrunde auf dem Küstenboulevard und dann ins – vom örtlichen Radsportverein – aufgebaute Ziel. Eine stimmungsvolle Siegerehrung direkt am Hafen krönte die Tour.

Im Hotel Ushuaia ist das ganze Team eingebucht, je nach Abflug für eine oder mehrere Nächte. Die erste Einpackorgie der Fahrräder wurde gestartet (das mache ich am Montag in aller Ruhe) und gegen 20 Uhr waren wir von Bike Dreams zu einem geselligen Abendessen eingeladen.

Für die meisten geht eine 4 1/2 Monate lange Abenteuerreise durch Südamerika zu Ende, mit allen Höhen und Tiefen. Ich konnte ziemlich genau einen Monat daran teilhaben. Meine „Höhen und Tiefen“ habe ich soweit es ging hier in diesem Blog beschrieben.

Es gibt bei vielen sicher eine gewisse Wehmut – die Freude über das erreichte Ziel und die jetzt folgende Heimkehr oder Weiterreise zu anderen Plätzen (Antarktis etc.) überwiegt jedoch total.

Ich für meinen Teil freue mich jetzt am allermeisten auf den Heimflug am Donnerstag und die Rückkehr zu meiner Frau, meiner Familie, meinen Freunden und auf meinen Alltag zu Hause.

Ein Fazit zu meiner Patagonien-Tour werde ich in den kommenden Tagen ziehen. Ein bisschen noch in Ushuaia und Buenos Aires Eindrücke sammeln und die letzten Tage und Wochen verarbeiten.

Euch allen schon mal 1000 Dank fürs interessierte Lesen meiner Beiträge hier in diesem Blog, die vielen mutmachenden E-Mails und Kommentare und das Daumendrücken für eine heile Ankunft hier am Ende der Welt.

Ich bin stolz und glücklich hier angekommen zu sein !!

 

107. Etappe – Río Grande – Tolhuin 89 km – 580 hm / Gesamt-Km: 2337

Ein luxuriöser Start in den Tag. Dusche und Frühstück im Hotel. Strahlender Sonnenschein und kräftiger Wind begleiten uns aus Río Grande hinaus. Die ersten zehn Kilometer sind heftig, dann haben wir erstmal den Wind von hinten.

Entlang der Atlantikküste sausen wir nach Süden. Ich fahre etliche Kilometer mit Michelle zusammen, der schnellsten Frau im Feld und sie erzählt mir eine ganze Menge von sich.

Nach dem Mittagessen – bis dahin war das letzte Timing – fahre ich alleine weiter. Michelle und Joost überholen mich später. Wir fahren durch ein interessantes Flusstal , allerdings stresst der Wind, so dass es wieder mehr Kampf als Spaß ist.

Ich sehe die beiden lange Zeit nebeneinander etwa einen Kilometer vor mir fahren. Als ich über eine Kuppe komme sehe ich plötzlich eine ziemliche Staubwolke voraus und denke mir noch, das sieht komisch aus.

Kurze Zeit später bin ich vor Ort. Michelle ist von einem Auto von hinten angefahren worden. Ihr Rad ist nur noch Schrott. Sie sitzt als „Häufchen Elend“ am Straßenrand, es scheint aber keine wirklich ernsten Verletzungen zu geben.

Ich bitte einen Pick-Up- Fahrer sie mit ihrem Rad einzuladen. Joost fährt noch auf 100% und ich schlage ihm vor weiterzufahren, während ich bei Michelle bleibe. Wir packen mein Rad auch auf den Pick-Up und das argentinische Paar fährt uns die 25 km nach Tolhuin.

Am Ortseingang melden wir den Unfall an der Polizeistation und fahren weiter zu einer kleinen medizinischen Station, wo Michelle versorgt wird. Die Röntgenaufnahmen zeigen keine Brüche. Ich bleibe bei ihr und versuche sie zu trösten bis Annelot unsere Medizinassistentin von der Strecke geholt wird.

Das Resümee – Glück im Unglück für Michelle – allerdings wird sie nicht auf dem Rad in Ushuaia ankommen.

Diese Situation hat mich ziemlich runtergezogen. Ich habe in der berühmten Panaderia in Tolhuin erstmal einen Kaffee getrunken und bin die ca. 4 km zum Campingplatz am Lago Fagnano gefahren.

Logisch dass der Unfall unseren vorletzten Abend bestimmt hat. Ich hoffe sehr dass Michelle, das alles auf die Reihe kriegt. Sie hat von Ushaia aus noch einen zweiwöchigen Trip in die Antarktis gebucht. Die Aussie-Mädels sind tough, sie kriegt das bestimmt auf die Reihe.

Fazit des Tages: Freud und Leid liegen sehr nahe beieinander.

Morgen geht es auf die letzten 100 km nach Ushuaia.

 

Ruhetag in Río Grande

Sehr entspanntes Abendessen in einer kleinen Gruppe in einem Restaurant in der Nähe unseres Hotels.

Heute Morgen war Ausschlafen angesagt und in aller Ruhe Frühstücken. Río Grande ist zwar die Provinzhauptstadt aber nicht wirklich prickelnd. Es pfeift – mitten im Sommer – ein eiskalter Wind um die Häuser.

Der Tag wurde von den meisten rund um unser Hotel verbummelt. Den ein oder anderen Einkauf getätigt, noch offene Korrespondenz erledigt etc.
Am Abend bin ich mit Hardy und Alfred in gemütlicher deutscher Runde in einer Pizzeria zusammen gesessen. Jeder hat so seine Pläne für die Tage nach Ushuaia. Hardy geht über Weihnachten noch nach Uruguay und kurz vor dem Jahreswechsel zurück. Alfred und ich fliegen zusammen nach Buenos Aires und werden den 17.12. dort gemeinsam verbringen. Alfred fliegt einen Tag nach mir nach Hause.

 

Etappe 105 + 106 – Tierra del Fuego – Río Grande

148 km – 1300 hm / Gesamt: 2248 km

Mit dem Meeresrauschen bin ich eingeschlafen und kurz nach Mitternacht durch das Prasseln des Regens auf meinem Zeltdach wieder aufgewacht.

Irgendwann muss es aufgehört haben und auch der böige Wind war am Morgen zunächst friedlich. Rechtzeitig zu unserem Frühstück im Freien – bei unserem letzten Bushcamp – hat es wieder angefangen zu regnen.

Um 8 Uhr starteten wir in den Tag der Doppeletappe. Der Regen hielt sich später in Grenzen, so dass ich nach 15 km meine Überhose wieder ausziehen konnte.

Rund 60 km waren es bis zum chilenischen Grenzposten. Unsere Fahrtrichtung bescherte uns den Wind gottseidank meist von hinten und von der Seite, so daß es trotz der „Dirt Road“ gut voranging. Zum letzten Mal aus Chile hinaus und 14 km später wieder nach Argentinien hinein. Beide Grenzprozeduren waren erfreulich kurz und wenig bürokratisch.

In Argentinien ging es auf die RN 3, der Hauptverbindung in der argentinischen Provinz Tierra de Fuego, mit ordentlichem Asphalt. Einige Passagen lang war der Wind auch mal gegen uns aber ohne echte Probleme.

Gegen 15 Uhr war ich in Rio Grande, der Provinzhauptstadt mit rund 50' Einwohnern, an unserem Hotel Atlantide. Das Hotel hat schon bessere Tage gesehen, aber für die beiden Nächte okay. Ich teile mir ein Zimmer mit Barry, einem sympathischen Australier.

Noch einmal die Wäsche in die Lavanderia und nur noch relaxen. Morgen muss ich mich mal um mein Fahrrad kümmern. Die Federgabel „schlägt durch“, ich hoffe dass einer der Mitstreiter eine Pumpe dafür mit sich führt.