Category: ARCHIV RADTOUREN


Die Übernachtung in Tolkmicko war bestens. Beim Aufwachen drohten dunkle Wolken, so dass ich mich mit dem Abbauen und Einpacken des Zeltes beeilte. Ging aber dann doch vorbei.

Im Dorf fragte ich in einem kleinen Lebensmittelladen nach Kaffee, da wollte mir die gute Frau ein Pfund Kaffee verkaufen. Wie es der Zufall wollte sprach der Inhaber des Ladens exzellent Deutsch, ein etwa 30jähriger Mann, der einige Jahre auf dem Bau mit deutschen Kollegen in Italien gearbeitet hat und so haben sich seine guten Sprachkenntnisse ergeben. Ich bekam einen Kaffee gekocht, es gab leckere Krapfen und wir saßen fast eine Stunde vor dem Laden und sprachen über ganz viele Dinge.

Auf der Weiterfahrt wurde ich kurzzeitig etwas nass. Ein deutlich größeres Übel war allerdings der eingestellte Fährbetrieb an der Nogat, was mir rund 20 km an „Zugewinn“ einbrachte. Was sind schon 20 km gemessen an der Gesamtheit, trotzdem müssen sie halt auch gefahren werden.

Durch eine wenig befahrene und dünn besiedelte Agrarlandschaft bin ich dann wieder an die Küste gekommen, eine interessante Überfahrt über die Weichsel mit der Fähre und später über eine Pontonbrücke über die „Tote Weichel“. Gegen 17 Uhr war ich in Danzig. Das Wetter hatte sich ab Mittag zu einem wolkenlosen blauen Himmel entwickelt und so habe ich mir zuallererst ein Bier an der Mottlau gegönnt.

 

Das erste Hotel, das ich angefahren habe war leider ausgebucht, aber die Dame an der Rezeption ließ mich in das WiFi des Hotels einwählen und so konnte ich mir in aller Ruhe eine Bleibe suchen und buchen.

Blick vom Hotelzimmer

Ich habe ein sehr nettes Hotel gefunden, in der zweiten Reihe am Fluß gelegen, sehr ruhig und serviceorientierte Mitarbeiter (wie wohltuend nach den Kaliningrader Episoden).

Ich werde Samstag und Sonntag hierbleiben, mir die Stadt in Ruhe ansehen (als leidenschaftlicher Günter Grass-Leser), da gibt es Orte die mich interessieren und den Sonntag vielleicht ein bisschen am Strand verbringen und auch hinaus nach Sopot und Gdynia fahren.

 

Es liegt kein Land mehr zwischen hier und daheim, auch wenn ich noch im nordöstlichen Teil Polens, also da was mal Ostpreußen hieß, bin

Kaliningrad war ziemlich „strange“, im Hotel herrschte keine gute Atmosphäre, auch wenn es zu den Top-Adresse in der Stadt zählt. Ich habe noch eine kleine Radrunde nach dem Frühstück gedreht, die Aufwartungen an Immanuel Kant und Herzog Albert gemacht und dann raus aus der Stadt. Das lief deutlich besser als hinein

Die gut 50 km bis zur polnischen Grenze ließen sich gut fahren, auch wenn es teilweise sehr eng zu ging. Die Ausreise war witzig, es gab eine lange Schlange von Autos an der ich gemütlich vorbeifuhr. Als ich an den ersten Posten kam, rief ich fragend „bicycle “ und wurde sofort bearbeitet. Nur an Posten 4, dem letzten, begann die Lady zu zicken, sie wollte meine Fahrzeugpapiere sehen ? Ich erklärte ihr dass ich keine habe, worauf sie meinte, jedes Fahrzeug hat Papiere. Hinter mir standen drei russische Matronen, die sich wortreich einmischten und ihrer Landsfrau wohl erklärten, dass der „Blaue Elephant“ ein Fahrrad sei und dafür nicht einmal in Russland Papiere gebraucht werden.

Nach einiger Zeit gab sie mir maximal verächtlich meinen Pass zurück und ich war in Polen. Da gab es auch nochmal einen längeren Check, die nehmen ihre Aufgabe als Außengrenze Europas offenbar sehr ernst. Nach mir wurde eine Leipziger Famile abgefertigt, die mehr als fünf Stunden bis zur Einreise nach Polen brauchten. Das muß man nicht wirklich verstehen.

Die erste Stadt in Polen war Braniewo und plötzlich war wieder alles da, eine Bäckerei, ein Eiscafé und sogar ein Lidl-Markt und die Orte haben wieder eine Struktur, da gibt es Kirchen und zentrale Plätze.

Über die Kopernikus-Stadt Frombork (Frauenburg) bin ich dann hier ans sogenannte „Frische Haff“ gekommen, wo ich einen wunderbaren Standplatz für mein Zelt auf einem großzügigen privaten Gelände fand.

Morgen denke ich fahre ich nach Danzig, vielleicht bleibe ich da das Wochenende bevor es dann definitiv nach Berlin geht.

 

Heute stand sehr zeitig die Einreise nach Russland an. Kurz nach 8 Uhr rollte ich an die nur drei Kilometer vom Campingplatz entfernte Grenze und war natürlich gespannt auf das Procedere.

Es ging eigentlich ziemlich schnell und die Leute waren auch sehr freundlich. Ich musste natürlich noch das Migrationspapier ausfüllen und insgesamt waren dann vier verschiedene Leute ganz wichtig mit mir beschäftigt. Der letzte verabschiedete mich dann mit „Have a nice day, Gunter“. Also wenn ich das mit einigen Grenzübertritten in Südamerika vergangenes Jahr vergleiche, alle Achtung.

Es ging dann rund 50 km ziemlich unspektakulär über die Nehrung bis quasi das „richtige Festland“ wieder erreicht wurde. Die meisten Schilder entlang der Strasse sind nun natürlich in kyrillisch und da wird es schon etwas schwer mit dem Lesen.
In einem Seebad mit einem unaussprechlichen Namen, früher hieß es Cranz, habe ich mir in einer winzigen Bäckerei lecker aussehende Brötchen gekauft und bin natürlich wieder darauf rein gefallen, das ging mir schon im russisch besiedelten Teil von Estland so, dass die Brötchen eine Krautfüllung haben. Schmeckt eigentlich nicht schlecht, aber gewöhnungsbedürftig. Die Ladenfrau hat mir das wohl angesehen und hat mir ein Glas Tee dazu gebracht.
Irgendwann kam dann das Desaster, programmiert war ich auf rund 90 km bis Kaliningrad. Ich bin ziemlich konsequent meinem Garmin-Track des Fernradweges Berlin – St. Petersburg gefolgt und bin ohne im Besitz einer ergänzenden Karte zu sein einen Riesenumweg von rund 40 km gefahren.
Na ja, irgendwann kommt man immer an. Das war auch ziemlich hektisch mitten im Berufsverkehr einer doch ziemlich großen Stadt und der leicht aggressiven Fahrweise der russischen Autofahrer. Ein netter junger Mann erklärte mir dann im perfekten Deutsch, wie ich zu meinem Hotel komme.
Ein intensiver Saunagang und jetzt bin ich wieder richtig frisch.
Nach einem leckeren Abendessen am Ufer des Pregels habe ich mir gute 1 1/2 h russische Folkloredarbietungen angesehen auf einer Veranstaltung die „Territorium des Friedens“ heißt und so ein bisschen Stadtfestcharakter aufweist. Das war richtig toll und die Zuschauer waren „voll dabei“.
Kaliningrad gucke ich mir morgen früh in aller Ruhe an. Bis zur polnischen Grenze sind es nur knapp 60 km, wenn ich den richtigen Weg finde.
Angeblich hat Friedrich I. als er sich 1701 hier zum König in Preußen küren hat lassen, mit der gesamten Entourage von 30.000 Menschen zehn Tage von Berlin hierher gebraucht (mit Ochsenfuhrwerken), da sollte ich so bis zum 28.8. mit dem „Blue Elephant“ wohl auch hinkommen. Allerdings wil ich unbedingt noch in Danzig Station machen.

 

Nach dem Aufbruch heute morgen bin ich noch ein wenig durch Klaipėda gerollt und habe dem Denkmal für das „Ännchen von Tharau“ auf dem Theaterplatz meine Referenz erwiesen. Auf dem Marktplatz bin ich mit einer alten Frau ins Gespräch gekommen, die noch richtig ostpreußisch sprach. Sie lebt ihr ganzes Leben auf der Kurischen Nehrung. Also die war geschätzt 85, habe mich aber nicht fragen trauen.

Am Fähranleger hatte um 10 Uhr ein britischer Kreuzfahrer festgemacht, mit 1800 Menschen an Bord, da konnte man zusehen, wie schnell aus einem beschaulichen Hafen ein „Business-Modell“ wurde.

Ich bin dann rund 50 Kilometer die Kurische Nehrung nach Süden gefahren, teils auf der Seeseite und teils auf der Haffseite. Je weiter man Richtung Nida kam, desto mehr belebte sich der Radweg. Hier selbst ist der Bär los.

Ich habe mir natürlich auch das Haus der Familie Mann angesehen. Hier verbrachte Thomas Mann mit seiner Familie eine ganze Reihe von Jahren die langen Sommerferien bis zur Emigration nach USA.

Leider sind mir heute beim Überspielen die Bilder des Tages abhanden gekommen, darüber habe ich mich sehr geärgert, aber das ist leider nicht zu ändern.

Morgen geht es in die Russische Föderation, das sogenannte Kaliningrader Gebiet. Ich bin schon ein bisschen gespannt und auch unsicher wie das da so mit dem Rad gehen wird. Man hört und liest sehr viel unterschiedliches.

Ziel ist dann morgen am Spätnachmittag dort zu sein um die Stadt noch intensiv anzugucken. Länger als eine Nacht möchte ich nicht bleiben.

 

Von der Maas bis an die Memel ….

In Memel dem heutigen Klaipėda bin ich am frühen Nachmittag angekommen. Die Strecke von Palanga bis ins Zentrum von Klaipėda war ein einziges „Genußradeln“. Ein Super-Radweg durch die herrlichen Kiefernwälder dieser Region.

Klaipėda wird dominiert von seinem Passagierhafen und riesigen Werften. Das wichtigste aber ist die permanente Fährverbindung hinüber auf die Kurische Nehrung. Da wollte ich übrigens auch immer mal hin.

Nach Platzierung in einem zentralen Hotel bin ich zur Fähre und ohne Gepäck (welch eine Leichtigkeit) mit dem Rad hinüber nach Smyltinė auf die Kurische Nehrung gefahren. Der Strand ist dort so breit und flach dass man kilometerweit sehr gut mit dem Fahrrad fahren kann. Ich habe dies ausgiebig genossen und bin später auf wieder endlosen Wegen hinter den Dünen bis nach Juodkrantė, einem ehemaligen Fischerdorf auf der Haffseite geradelt.

Habe beim Abendessen die Zeit etwas aus den Augen verloren, so dass ich zunächst bei herrlicher Abendstimmung, später sehr einsam in die Dunkelheit kam. Gottseidank gehen die Fähren bis weit in die Nacht hinein ( Überfahrt dauert 10 Minuten).

Trotz beabsichtigtem „Easy going“ heute bin ich doch wieder auf gute 100 km gekommen. Die waren es heute allerdings km für km wirklich wert.