Category: 2014 PATAGONIEN


Etappe 90 – Puerto Ibañez – Perito Moreno / Argentinien
111km – 1300 hm / Gesamt: 930 km

Eine sehr trockene und sternenklare Nacht mit mächtig Wind, war gegen 5 Uhr für mich zu Ende. Die Vorgabe für den heutigen Tag war 7 Uhr Frühstück / 8 Uhr Abfahrt.

Bei bestem Wetter rollten wir die knapp zwei Kilometer hinunter zur chilenischen Grenze am Lago General Carrera, der auf der argentinischen Seite Lago Buenos Aires heißt.

Beim Warten auf die Grenzabfertigung konnten wir das WiFi eines Restaurants nützen, sodass ich mit den vier Stunden Zeitunterschied, kurz mit Marion und auch mit meiner Tochter Mirjam über FaceTime Kontakt aufnahm, bevor die anstehende „medienfreie“ Woche beginnt.

Von der chilenischen Grenze bis zum argentinischen Grenzkontrollpunkt waren 23 km extrem knackige An- und Aufstiege auf einer brutalen Naturpiste zu bewältigen. Entschädigt ein kleines bisschen durch traumhafte Blicke auf diesen riesigen See und seine Umgebung.

Lunch gab es nach 47 km am höchsten Punkt des Tages, wo ich sowohl technisch wie auch körperlich ziemlich fertig ankam.

Weitere 57 km Ruppelpiste lagen vor uns, bevor am Ende in Perito Moreno einige Kilometer Asphalt auf uns warteten. Ich meldete mich bei Walter und kündigte ihm an, später wenn ich eingeholt werde in den Truck zu steigen.

Als er mich ca. 20 km weiter einholte habe ich kurz überlegt, habe ihn dann weiter gewinkt und somit die kommenden 45 km angenommen. Also zusammengefasst war es sehr hart für mich und ich war ziemlich happy am späten Nachmittag den Campingplatz zu erreichen.

Der mächtige Schiebewind braust natürlich auch durch den Campingplatz und ich hatte alle Hände voll zu tun, mein Zelt sturmsicher aufzubauen.

Die Landschaft in der zweiten Tageshälfte war sensationell und entspricht in vielen Facetten meiner Vorstellung von Patagonien, inklusive des kräftigen Windes.

Am Abend gab es leckere Hamburger, Gerti unsere Küchenchefin verwöhnt die rund 40 Leute mit exzellentem und nahrhaftem Essen.

Ein kurzer Abendbummel mit Alfred, unserem deutschen Spitzenfahrer, durch dieses argentinische Dorf mit Einkauf eines kleinen Vorrates an Quilmes- Bier für die kommenden Tage und einem Abstecher in die besagte Heladeria.

22:30 Uhr – jetzt ist Zeit für meine geniale Thermarest-Matte und den herrlich kuscheligen Schlafsack im sturmumtosten Zelt.

 

Heute ein kurzer Bericht außerhalb der üblichen Systematik. Ich sitze gerade in Perito Morenos / Argentinien mit etlichen Fahrern in einer Heladeria, der einzige Platz mit WiFi in diesem Kaff. Heute gab es für mich einen rund 7 stündigen Höllenritt über 110 km und 1300 Höhenmetern auf einen Naturpiste mit allem Schrecklichen, was man sich denken kann. Up- und Downhills am Rande meiner technischen und körperlichen Möglichkeiten. Nur der patagonische Wind war mein Freund.

Von hier bis nach El Calafate am nächsten Sonntag sind sieben Etappen durch das unendliche Patagonien zu fahren ohne „Heimatkontakt“. Werden versuchen am 1.12. wieder tageweise upzudaten. Bis dahin grüße ich alle meine Leser und freue mich über euer Interesse.

Etappe 88 Coyhaique – Puerto Ibañez

139 km – 2100 hm / Gesamt-Km:

Der Ruhetag in Coyhaique hat wahrscheinlich allen sehr gut getan, mir auf jeden Fall. Hatte ich doch heute Morgen echt Lust auf Radfahren. Nachdem ich den Gepäcktransport vom Hostal zum Campingplatz organisiert hatte sind Alfred, Juerg und ich gegen 8 Uhr gemeinsam zum Campingplatz geradelt.

Wir starten heute in eine neuntägige Serie von anstrengenden Tagestouren, wobei wir morgen Chile verlassen und wieder nach Argentinien gehen. Der nächste Ruhetag ist in Calafate am 1. Dezember. Bis dahin ist Camping angesagt auf rustikaler Basis.

Wir sind nochmal einen letzten Tag weitgehend auf der Carretera Austral nach Süden gefahren. Es war der angekündigte Tag mit den meisten Höhenmetern. So war es nur logisch, dass es entsprechend viel zu kurbeln gab. Der Wind war mal mit uns, mal gegen uns.

Ich hatte bereits nach einer Stunde ein Problem mit meiner Schaltung und musste mich mit meiner springenden Kette auseinandersetzen. Als mich der Dinnertruck einholte, in welchem meist auch unser Mechaniker Lucho, ein netter Bursche aus Peru, mitfährt, hob ich die Hand und bat ihn meine Schaltung zu überprüfen. Sein Ergebnis alles okay, also bin ich weitergefahren.

Je höher es hinauf ging und mehr Druck auf die Kette kam, wurde das Problem größer und kurz vor dem höchsten Punkt, sah ich mit Schrecken, dass sich ein Kettenglied zu öffnen begann. Anhalten war Pflicht, leider hatte ich meinen Kettendrücker nicht am Mann, die Fahrer hinter mir hatten auch keinen dabei. Ich blieb entspannt, da ich ja den Lunchtruck noch hinter mir wusste und Walter, der österreichische Fahrer, ein wahrer Alleskönner ist.

So war es dann auch, Walter entfernte das beschädigte Kettenglied und ersetzte es durch ein Neues. Die Kette lief wieder einwandfrei und nach Überwindung des „Peaks“ konnte ich mich auf eine mächtige Abfahrt freuen.

In einer wirklichen traumhaften Kulisse bin ich den Berg hinabgebraust und habe dabei den Abzweig von der Carretera nach Puerto Ibañez verpasst, nach 5 km und etwa 200 Metern Höhe habe ich es bemerkt, also umkehren und die schöne Abfahrt wieder hoch.

Ein anstrengender Radtag, auf gutem Asphalt ging auf einem kleinen aber netten Zeltplatz, mit den geschilderten Überstunden zu Ende.

Im Ort gab es einen „Supermercado“, so dass ich nach dem Essen in meinem Zelt noch ein gemütliches Feierabendbier getrunken habe.

 

Ruhetag in Coyhaique

Ausschlafen in einem warmen Bett, eine gute Dusche mit warmem Wasser und all dem Komfort, den ein Dach über dem Kopf eben bietet. Wie muss es den Fahrerinnen und Fahrern gehen, die bereits seit 1. August unterwegs sind, wenn ich nach gerade einer Woche schon dieses extrem zu schätzen weiß.

Wenn ich die erste Woche mit meinen Individualtouren vergleiche, dann gibt es Vorteile, aber auch Nachteile. Im wesentlichen hält sich das wohl die Waage. Die Vorteile liegen auf der Hand: Verpflegung morgens, mittags und abends, falls erforderlich Pannenhilfe, unterwegs immer mal wieder Kameraden zu treffen, ggf. auch ein Stück gemeinsam zu fahren, keine einsamen Abende, eben alles was eine Gruppe hergibt.

Die Nachteile für mich sind ebenfalls durch die Gruppenstruktur bedingt, fixe Termine, Abfahrtszeiten, vorgegebene Tagesetappen und gewisse Zwänge, die das Funktionieren einer Gruppe voraussetzen, wie gemeinsames Be- und Entladen der Trucks, Unterstützung rund um die Küche etc.

Was mir ein wenig fehlt ist das gemütliche Anhalten unterwegs und irgendwo sitzen bleiben, das geht meist für mich aus Zeitgründen garnicht (sh. Tagesablauf) und außer dieser gigantischen Natur gibt es meist auch wenig Möglichkeiten dafür. Ein weiterer Punkt dazu sind auch die Temperaturen.

Neben der extremen Leistung die die Fahrerinnen und Fahrer seit Quito erbringen, sind vor allem die Leute vom Helferteam, Gerti, Annelot, Walter, Roberto und Lucho für mich zu bewundern. Mein Tag auf dem Truck gab mir ein bisschen Einblick in das Geschehen hinter den Kulissen, das ist harte Arbeit mit vielen täglich zu lösenden Aufgaben, oft großen Überraschungen. Ich denke dies ist mindestens so herausfordernd wie das Radfahren selbst.

Der Regelablauf eines Tages sieht wie folgt aus:

  • Zelt abbauen und die persönliche Ausrüstung zum Truck bringen
  • Gemeinsames Frühstück um 7 Uhr oder 8 Uhr je nach Abfahrt
  • Zusammen das Camp wieder klar machen / Aufladen / Abwaschen etc.
  • Start der Tagesetappe – 8 Uhr / 9 Uhr
  • Zelt aufbauen, persönliche Dinge ordnen, wenn möglich ausgiebige Hygiene
  • Nach der Ankunft steht immer eine Suppe parat – für den ersten Hunger und heißes Wasser für Tee oder Kaffee
  • Meist um 18 Uhr gemeinsames Abendessen mit kurzem Briefing für den Folgetag
  • Falls zum Dienst eingeplant (Küchenplan) entsprechende Küchendienste
  • Small-Talk und meist gegen 21 Uhr (korrespondiert mit dem Sonnenuntergang) ins Zelt kriechen
  • Blog schreiben

Gerade sitze ich in einem netten Café hier in Coyhaique, einer typischen südamerikanischen Kleinstadt (in Patagonien sind 40' Ew allerdings sehr viel). Das Leben spielt sich um die Plaza de Armas herum ab und alles ist relativ übersichtlich.

Heute Nachmittag werde ich ein wenig mein Rad pflegen, vielleicht ein Schläfchen machen und meine Packstruktur überdenken. Das A & O ist die persönliche Organisation in und um das Zelt herum, da bin ich zwar ganz gut dabei, es gibt allerdings noch genug Optimierungspotential.

Vielleicht noch ein Satz zur Internetverbindung, wie ja unschwer zu erkennen ist, war meine letzte Online-Möglichkeit am vergangenen Sonntag. Zwischen hier und Calafate (30.11.) wird es wohl wieder so sein, d.h. acht Tage kein Wifi in aller Regel nicht mal eine Netzverbindung !

 

Etappe 88 – Lago Las Torres – Coyhaique

142 km – 1535 hm / Gesamt: 689 km / 6965hm

Mit der Aussicht auf den morgigen Ruhetag und einem richtigen Bett für zwei Nächte in Coyhaique ging es zeitig und bei trockenen Bedingungen auf der in diesem Teil von Chile sehr gut asphaltierten „Carretera Austral“ weiter nach Süden.

Bis zum Lunchtruck bei km 63 war „Timing“ angesagt, so dass mächtig schnell gefahren wurde. Ich lasse mich davon nicht gerne anstecken und habe mir meinen Platz gesucht und hie und da ein bisschen Windschatten genutzt.

Nach dem Mittagessen konnte man aus zwei Streckenoptionen wählen, einer etwas kürzeren (unpaved) und einer etwas längeren (paved).

Ich entschied mich für letztere und bin entlang gewaltiger Flüsse in Richtung Tagesziel geradelt. Lange Zeit ging es im Trend bergab mit allerdings permanentem Auf und Ab.

Nach insgesamt 90 km hatte ich einen ziemlichen „Hänger“, bin aber irgendwann wieder aus dem „Loch“ gekrochen. Sehr hilfreich war mir dabei der beginnende blaue Himmel und der damit verbundene Sonnenschein.

Den letzten Aufstieg vor Coyhaique gab es Schiebewind und eine imposante Abfahrt zur Stadt.

Die Campingsite liegt etwa 4 km vor der Stadt mit ca. 40' Einwohnern. Klares Thema für mich heute, kein Camping am Ruhetag.

Auf der Suche nach einem Hotel habe ich Alfred und Juerg getroffen und wir haben eine Runde durch das übersichtliche Zentrum mit dem Rad gedreht. Leider war in dem ausgeguckten Hostel nur noch ein geeignetes Zimmer frei. Ich bin einige Häuser weiter im Hostal Ely, einfach aber ebenfalls sehr ordentlich untergekommen.

Mir gelang es den Chef zu becircen uns mit seinem Van zum Campingplatz zu fahren, damit wir unser Gepäck aufnehmen können. Auspacken und Duschen, Schmutzwäsche in die Lavanderia nebenan und gegen 19:30 Uhr bin ich mit den Beiden (Alfred lebt am Bodensee – Juerg im Raum Zürich) in ein gutes Restaurant. Bei einem Steak und gutem chilenischen Wein haben wir einen interessanten Abend verbracht.

Beide gehören zu den starken Fahrern im Feld und wollen ihren 100% Status, d.h. jeden Meter zwischen Quito und Ushuaia gefahren zu sein, auf jeden Fall halten, Alfred hat noch sehr gute Aussichten auf den Gesamtsieg. In der Radwelt wird dies als „EFI“ bezeichnet und steht für „every f…… inch“.