Category: ARCHIV RADTOUREN


Etappe 97 La Leona – El Calafate

107 km – 895 hm / Gesamt: 1423 km

Die Nacht im Hotelzimmer hat sehr gut getan. Abends saßen wir in dem kleinen Café von La Leona zusammen. Ich habe mit den beiden Belgiern, Jan und Reindert, die mit mir in Bariloche eingestiegen sind, eine Flasche Malbec getrunken und bin zeitig zu Bett.

Am Morgen – wieder strahlendes Licht – haben wir Ben verabschiedet, er fliegt von El Calafate zurück nach Melbourne. Sein Freund Tim, beide kamen ebenfalls mit mir nach Bariloche, bleibt noch den Ruhetag morgen mit uns und fliegt am Dienstag nach Hause.

Es war der zweite Tag auf der Tour an welchem ich mit nackten Beinen gestartet bin. Mit sehr guter Windunterstützung sind wir die ersten 75 km in einer größeren Gruppe über die wellige Strecke geflogen.

Lunch gab es an einem Zufluß zum Lago Argentino und nach weiteren 7 km drehte unser Kurs nach El Calafate in direkter Richtung West.

Ich habe mich dieser Aufgabe zusammen mit Marius, einem Kieferorthopäden aus Holland, gestellt und gemeinsam haben wir fast 3 Stunden an der Schmerzgrenze gegen den patagonischen Sturm gekämpft.

Mich hat der Wind mindestens fünfmal von der Straße geweht, gleichzeitig hat der Verkehr stark zugenommen, da Calafate ein beliebtes Touristenziel ist. Eine anstrengende Geschichte mit dem guten Gefühl am Ende, angekommen zu sein.

Alfred und Juerg waren um etliches früher am Zielort und hatten bereits „Quartier gemacht“, der Campingplatz für das Bike Dreams-Team ist zwar sehr schön, ein Hotelbett hat aber für den Ruhetag eindeutige Präferenz.

Mal alles Auspacken, neu ordnen, die Schmutzwäsche in eine Lavanderia geben etc. das sind die kleinen Dinge des Alltags die auf einer solchen Tour wichtig werden.

In einem sonntäglich quirligen Café habe ich einen exzellenten Kaffee getrunken, der morgendliche lösliche Kaffee im Camp befriedigt meinen Kaffeebedarf nur bedingt.

Persönliche Geburtstagsgrüße via FaceTime an meinen Sohn Julian in Victoria, E-Mail-Check, Blog aktualisieren, diverse andere Heimatkontakte, all dies war nach neun Tagen „Outback“ einfach notwendig und angenehm.

In einem exzellenten Parillarestaurant habe ich mit Max und Juerg zu Abend gegessen. Das Menü ist einfach zu beschreiben: ein Riesensteak und köstlicher argentinischer Rotwein dazu.

Anschließend in einem richtigen Bett im Hotel Upsala, dem Ruhetag entgegen schlummern. Einfach nur gut.

 

Etappe 96 Tres Lagos – La Leona
58 km – 310 hm / Gesamt: 1316 km

 

Sehr kalte Nacht, die in einen strahlenden Morgen überging, das Licht ist nicht beschreibbar.

Frühstück im Freien und Abfahrt um 8 Uhr. Wenn 58 km auf dem Papier stehen mit überschaubaren Höhenmetern und auf einer echten Straße, so erscheint das erstmal als „Kaffeefahrt“. Entscheidend ist hier im tiefen Süden des Kontinents die Fahrtrichtung.

Da der Wind fast immer heftig weht und bisher nur aus Westen, bedeutete dies für heute ausschließlich kräftigen Gegenwind oder wie es hier in der Fahrersprache heißt – „Headwind“.

Nach ca. 13 km Gewürge allein gegen den Wind habe ich mich dem „holländischen Zug“ angeschlossen und eine Menge über Radfahren in der Gruppe gelernt.

Gemeinsam haben Letty, Brigit, Hanni, Marius und ich gegen die Natur gekämpft und einen interessanten Radtag erlebt. Immerhin konnten wir als „Peloton“ einen 16 km/h Schnitt gegen den patagonischen Wind aufrechterhalten.

Die Holländer haben logischerweise vom Wind ein bisschen mehr Ahnung als ich auf dem Rad und so war ich der Gruppe sehr dankbar, dass sie mich integriert haben und meine „kleinen Anfangsunsicherheiten“ großzügig akzeptiert haben.

Traumhaft schön tauchte ca. 1 Stunde vor dem Tagesziel der Lago Viedma vor uns auf mit dem gleichnamigen Gletscher im Hintergrund.

In La Leona angekommen habe ich mir heute den „Luxus“ eines eigenen Zimmers geleistet. Mein Verlangen nach einer windfreien Nacht und etwas mehr Ordnung und Privacy als im Zelt war übermächtig.

Morgen am Sonntag geht es nach El Calafate dem Ausgangsort für Touren zum Perito Moreno Gletscher. Gute 100 km stehen an, davon wohl die letzten 40 km wieder gegen den zu erwartenden Wind.

Montag ist Ruhetag, den wir für einen halbtägigen Ausflug zum Gletscher nutzen wollen. Diese beiden Tage werde ich auch im Hotel schlafen und hoffe meine Berichte der letzten Tage online stellen zu können.

In El Calafate beginnen dann für die Dauerfahrer die rund letzten 1000 km, für mich quasi die zweite Hälfte der Tour.

Meine unter der Woche hier ausgeführten Gedanken sind ad acta. Mein Ziel heißt – wie geplant – in Ushuaia mit der Gruppe ankommen.

 

Etappe 95 Estancia La Seberia – Tres Lagos
95 km – 590 hm / Gesamt: 1257 km


Ein Radtag mit wenig Auffälligkeiten. Du fährst durch eine Landschaft die unendlich weite Blicke bietet. Deine Konzentration gilt jedoch der Straße vor dir, die alle Aufmerksamkeit erfordert. Sobald die Konzentration nachlässt ist die Gefahr eines Sturzes auf diesen Naturpisten enorm groß.

Die andere Komponente ist der Wind, der immer von Westen her weht. Je nach Fahrtrichtung geht es dir gut oder du leidest mächtig.

Nach rund 55 km erreichen wir das herbeigesehnte „Pavimento“ und überwiegend bergab sausen wir nach Tres Lagos.

Meine Phantasie bei Tres Lagos sind Seeufer und ansprechende Umgebung. Leider wurde dieser Traum nicht erfüllt, Tres Lagos ist ein Kaff, indem nichtmal der berühmte Hund begraben sein möchte.

Der Zeltplatz ist okay, die Dusche lauwarm, was willst du mehr.

Gemeinsames Abendessen, wie jeden Tag, sehr gut und ein bisschen zusammensitzen und dann in den kuscheligen Schlafsack, es ist halt immer windig und auch kalt hier unten kurz vor dem Ende der Welt.

Alle sehnen den Ruhetag am Montag in El Calafate herbei. Der Höhepunkt wird dabei der Besuch des gigantischen Gletschers sein.

Meine persönliche Entscheidung ist mittlerweile klar, ich werde mit der Gruppe bis nach Ushuaia fahren. Eine ganze Reihe von Leuten sind mir ans Herz gewachsen und ich fühle mich in der Gruppe auch sehr wohl.

Rein körperlich geht es mir gut, es ist immer hart auf dem Rad, aber im letzten Drittel fahre ich gut mit.

 

 

Etappe 94 Villa Angostura – Estancia La Seberia
67 km – 600 hm / Gesamt: 1163 km

Gestern war ein super entspannter Nachmittag bei bestem Wetter, kaum Wind und vielen guten Gesprächen.

Irgendwie gab es am Abend eine Auseinandersetzung zwischen zwei Gruppenmitgliedern und Rob – der OrgA-Chef – musste schlichtend eingreifen. Drei Wochen vor Ende der Tour fahren etliche emotional „auf der letzten Rille“.

Die Nacht war prima und um 9 Uhr sind wir auf eine übersichtliche Etappe von 67 km gestartet. Die nicht asphaltierte Piste und ein phasenweise mächtiger „Headwind“ waren allerdings anstrengend genug.

Etwa bei km 50 tauchte ein tiefblauer See, der Lago Cardiel, in der Landschaft auf, unser Kurs schwenkte nach Osten und der Wind wechselte von „Head“ zu „Tail“.

Gegen 14:30 Uhr bin ich auf der Estancia La Seberia angekommen, Nomen ist gottseidank nicht ganz Omen, aber schon sehr rustikal hier.

Tagesroutine: Campingsachen am Truck holen – Platz fürs Zelt suchen – Zeltaufbau – Organisation der Ausrüstung – wenn geht Duschen (ging – sogar warm) – evtl. bisschen Wäsche (falls Sonne) – Fahrradcheck – Suppe.

Kurze Zeit später kam ein deutscher Tourenfahrer an, der seit 1 1/2 Jahren unterwegs und auf dem Wege nach Santiago de Chile ist. Interessanter Typ irgendwo aus dem Raum Dessau. Unser Teamchef hat ihn für heute ins Team eingeladen. Ich habe ihm ein Bier ausgegeben und wir haben eine Stunde gequatscht.

Meine persönliche Befindlichkeit ist sehr gut. Die Gedanken an den Switch in Calafate habe ich komplett auf Eis gelegt. So geht es eben von Tag zu Tag, wie auf der Strasse so auch im Kopf immer Auf und Ab.

 

Etappe 93 Bajo Caracoles – Estancia Villa Angostura
84 km – 100 hm / Gesamt: 1096 km

Mit Wolfgang Ambros im Ohr bin ich gestern Abend eingeschlafen: „Der Weg zu dir selber hört nie auf, hinter dir gehts abwärts vor dir steil bergauf“.

Ist irgendwie ein gutes Motto für das was gerade so bei mir passiert. Heute steht ein 50 km Team-Timing an, wenn der Wind nicht dreht werden wir kräftigen Schiebewind haben, bevor dann nochmal ca. 35 km auf unpaved roads anstehen, diese dann allerdings wieder in Richtung Westen und daher kommt der Wind.

Ich werde das Timing als Team mit J.R. fahren, er ist ein immer fröhlicher Typ aus Anchorage, der seit Cusco mitfährt. Wir sind ziemlich gleich in unserem Leistungsspektrum.

War cool heute Morgen, als ich im Busch war, ging gerade die Sonne auf. Das ist nicht beschreibbar, diese Weite und der Wind !

Um 8:00 ging es zum Zeitfahren. J.R. und ich haben uns prächtig verstanden und sind mit 36 km/h in einen unendlichen Horizont gefahren. Die Schnellsten waren – natürlich windunterstützt – mit mehr als 50 km/h unterwegs.

Gegen 12 Uhr haben wir in einem windgeschützten Tal die Estancia und damit unseren Campingplatz erreicht. Ein herrlicher Frühlingsnachmittag liegt vor uns, die Kälte und der Dreck der letzten Tage sind vergessen.

Frisch geduscht sind alle Fahrer gutgelaunt und sitzen mit einer Büchse Quilmes in der Hand entspannt zusammen.

In dieser Stimmung sind meine Ausstiegsgedanken für Sonntag natürlich weggeblasen. Mal sehen, wie mein „work in progress“ die kommenden Tage aussehen wird.