Category: ARCHIV RADTOUREN


Drei Wochen bin ich jetzt bereits unterwegs und manchmal bringe ich die Stationen garnicht mehr zusammen, da helfen mir mein Tagebuch und der Blog wieder auf die Sprünge.

Gleich nach dem Losfahren heute morgen – ich bin erst um 8:30 Uhr aufgewacht – habe ich einen Abstecher zur Pointe du Hoc gefahren. Alle wichtigen Plätze an den Landungsküsten sind touristisch perfekt aufbereitet. Es gibt Doku-Zentren, Museen und mehrsprachige Erklärungstafeln und Broschüren, so dass sich jeder Besucher mit unterschiedlicher Tiefe informieren kann. Die Erstürmung der strategisch eminent wichtigen Pointe du Hoc ist ein militärisches Meisterstück der US-Amerikaner gewesen und hatte einen hohen Preis an Menschenleben gefordert.

Einige Kilometer weiter habe ich das westliche Ende des D-Day-Geländes mit dem Utah-Beach erreicht. Im Verlauf spürte ich dies am wieder abnehmenden Verkehr und ich kam ins Département Manche, welches auch noch zur Basse-Normandie gehört.

In Isigny-sur-Mer war Wochenmarkt und es wurden riesige normannische Bratwürste gebrutzelt, da musste eine her. Mega lecker, nur der Senf war so scharf, dass mir die Tränen kamen. In den Nachmittag hinein musste ich durch häufiges Aufsuchen der Gebüsche dieser Region, der Wurst – oder dem Senf – meinen Tribut zollen.

Es gibt einen „Eurovelo-Weg Nr. 4“ der von der Bretagne bis glaube ich nach Russland führt. Bisher hatte ich noch keine Markierung dazu gesehen, hier in der Manche fand ich erstmals das Wegzeichen.

Ich nutzte den Tag und die Sonne bis gegen 20 Uhr, dann hatte ich Lust auf ein Chambre d'Hotes, die Lady hatte aber noch keine Lust auf einen Gast und erklärte mir – vor sichtbar unbelebtem Haus – sie wäre ausgebucht. Ein schnuckeliges Hotel mit Meerblick fand ich in Barfleur auch nicht, so dass ich mit dem Camping Municipal zufrieden war. Blitzblanke Sanitäranlagen und eine herrliche Dusche und mein 21. Radtag ging im Zelt zu Ende.

Leider hat es jetzt am Morgen zu regnen angefangen und es sieht so aus als ob ich erstmals auf der Tour nasse Ausrüstung einpacken werde – jetzt um acht Uhr bleibe ich erst nochmal gemütlich im warmen Schlafsack. Mal sehen wie sich der erste Tag der vierten Radwoche auf dem Weg nach Cherbourg entwickelt.

 

Beim Aufstehen habe ich gedacht „heute habe ich nicht wirklich Lust zum Fahren“. Nach 4 km im Ortskern von Ouistreham habe ich in aller Ruhe Kaffee getrunken, mein Handy geladen (Ulli Brass hat mir dankenswerter Weise zwei hilfreiche – höfliche Fragesätze geschickt) und bin bei bestem Wetter und kaum Wind unmittelbar am Strand entlang gerollt.

Die Stopps kamen von allein, da immer wieder „Memorials“ zu sehen und zu lesen sind. Sword Beach – Gold Beach und später der berühmte Omaha-Beach.

Kurz vor Courseulles-sur-Mer, der Partnergemeinde von Goldbach hatte ich kurzen Kontakt mit einer französischen Familie – zwei Kinder auf den Rädern vorne drauf und bepackt, wie die Esel, sind sie vor sechs Wochen in Bordeaux gestartet und wollen in zehn Wochen in Dänemark enden. Der Ehemann hat ein Sabbatical und das lebt die ganze Familie auf dem Rad aus. Also – nicht nur ich bin verrückt.

In Courseulles – übrigens ein ganz netter Ort – viel schöner als Goldbach konnte ich einer Austerndegustation nicht widerstehen und wieder kam ich nicht voran.

Am Omaha-Beach angekommen musste ich an den Vortrag von Berthold Orschler im Rotary Club denken, der uns detailliert die Landungsstrategie der Amerikaner hier am 6. Juni 1944 erklärte. Ein riesiger Friedhof gefallener US-Soldaten erinnert eindrucksvoll daran.

Am westlichen Ende der Bucht gibt es einen wunderbar gelegene Campingplatz mit bester Aussicht auf den Beach und die ganze Bucht. Dort genieße ich aktuell mein Feierabendbier zumal die Sonne hier in diesen Tagen nicht vor 23 Uhr verschwindet.

Ich habe auch kein schlechtes Gewissen, dass meine heutige Fahrleistung eher einem gemütlichen Kaffeeausflug gleichkommt.

Morgen neues Spiel – neues Glück. Ich verlasse Calvados und komme ins Département Manche – den Utah-Beach habe ich mir auch für morgen aufgehoben.

 

Der Start in den Tag geht im Hotel etwas weniger aufwändig – als im Zelt. Das erste Ziel für heute war, die Pont de Normandie, eine imposante Schrägseilbrücke, als Radfahrer zu erreichen. Klar war es gibt eine – wenn auch schmale – Radspur um hinüber auf die andere Seite der Seine zu kommen.

Über meine Probleme mit dem Rad und Brücken hatte ich ja schon aus Portugal und Schweden in früheren Berichten mich ergangen. Als die Brücke nach gut 6 km zu sehen war, hieß es „Durchfahrt verboten“ für Radler. Ich hielt mich daran und fuhr in die Irre – es wurde ein Umweg von 2x 8 km an einem Kanal entlang, um wieder – diesmal auf der anderen Seite des Kanals auf „Durchfahrt verboten“ zu stoßen.

Diesmal hielt ich mich nicht daran und fuhr die Rampe mit viel Adrenalin auf der Autobahn hinauf und zu meiner Überraschung sah ich erst dann die wirkliche Brücke über die Seine. Da gab es besagte Spur für „Cyclistes“ und nochmal hoch um das Département Calvados endlich zu erreichen.

Kurz vor Honfleur traf ich die beiden Männer aus den USA bzw. Kanada, eine Viertelstunde „Radlerlatein“. Sie sind in London gestartet und wollen über die Bretagne nach Irland.

Honfleur ist ein bezaubernder Ort, der allerdings von Kreuzfahrern überschwemmt wird, 3000 AIDA-Deutsche waren mir zuviel und ich rollte entlang der Küste auf das ehemals mondäne Seebad Deauville zu.

Gegen frühen Abend erreichte ich bei Bénouville die Ostgrenze der Landungsstätten der Allierten. Hier ist die berühmte Pegasusbrücke am Caen-Kanal, an welchem die Briten gleich nach Mitternacht am 6. Juni 1944 mit bemannten Gleitfliegern gelandet sind und damit die Nachschubroute der Deutschen aus dem nahen Caen und Kontrolle hatten. Major John Howard ist ein echter englischer Kriegsheld und wird noch heute in Gedenkfeiern verehrt.

An der Gedenkstätte wehen die Fahnen der Alliierten und mit Stolz wird auf die für das Kriegsende 1945 so wichtigen Erfolge an der Westfront hingewiesen. Das macht mich selbst als Nachgeborener nachdenklich und auch traurig.

In fußläufiger Entfernung habe ich die Nacht auf einem ordentlichen Campingplatz verbracht.

 

Heute ist so etwas wie Halbzeit gewesen – am 2. Juli möchte ich wieder zu Hause ankommen – also bleiben mir noch 18 weitere Tage für die vielen Dinge die es zu sehen gibt.

Heute morgen kam ich überhaupt nicht in die Gänge – vielleicht lag es an dem Aligoté vom Vorabend oder an den 1000 Höhenmetern von gestern. Aus Veulettes ging es schon mal rund 150 Höhenmeter rampenartig hoch – da hätte ich oben am liebsten mein Zelt wieder aufgebaut und Feierabend gemacht und es wurden auch wieder knapp 1000 Höhenmeter.

Nachdem ich ja nicht zum ersten Mal unterwegs bin, weiß ich das es solche Tage gibt, die aber oft auch eine überraschende Entwicklung nehmen.

Bis Fécamp (30 km) mühte ich mich wirklich ziemlich ab. Ein leckeres Sandwich und einen Kaffee und auf einmal waren die Beine da und es lief den Rest des Tages wie am Schnürchen.

Wie schon in Holland erlebt, so auch in Frankreich, der Sonntag ist an den tollen Plätzen maximal besucht, das macht als Tourenradler nicht immer Freude. Hier in Frankreich scheinen die Leute von 10 Uhr morgens bis spät abends immer zu Essen, die Lokale sind jedenfalls alle voll.

In Étretat habe ich die berühmten Felsformationen bestaunt, leider konnte ich nicht hinaufsteigen, das ist das Los des Alleinradlers, dass man das sein vollgepackten Rad nicht einfach mal eine halbe Stunde stehen lassen kann.

Zum Ausgleich habe ich mir eine Kugel Eis gegönnt (2,30 €) da habe ich schon schlucken müssen.

Gegen 19 Uhr war ich in Le Havre und wie immer sind Großstädte (180' Ew)ein Horror für mich – wenn ich mit dem Rad unterwegs bin. So habe ich nach einigem Rumgegurke mir ein Hotel gesucht und die Überquerung der Pont de Normandie über die Seinemündung für morgen aufgehoben.

 

Der Blick aus meinem Hotelzimmer zeigt graue Wolken über dem Meer bei Le Tréport. Es ist Samstag und ich lasse es ruhig angehen.

Die „Funiculaire“ bringt mich mit dem Fahrrad hinauf die Klippen und ich genieße oben frische Croissants und Kaffee.

Hier in Seine-Maritime gibt es eine gut markierte Fahrradroute die bis nach Le Havre führt. Allerdings der Landschaft angepasst eine Berg- und Talbahn. Immer wieder hinauf auf ungefähr 100 m und wieder hinab in die Orte auf Meereshöhe. Das kostet mich heute „Körner“ zumal der Wind absolut gegen mich ist.

Die Sonne kämpft sich ihren Weg durch die Wolken, wie ich mich durch die eindrucksvolle Landschaft. Schmucke Häuser, nette kleine Orte und eine grüne Agrarlandschaft mit tollen Flachsfeldern und dazu die imposante Steilküste – Radfahren ist schön – wenn auch heute sehr anstrengend.

In Dieppe – Etappenort auf unserer Rotary-Radtour 2012 – genehmige ich mir eine längere Pause und rolle weiter durch das Land. In einem kleinen Küstenort wird gerade ein 8 km Lauf im Sand gestartet und mit ziemlich viel Rummel machen sich rund 100 Aktive auf den Weg. Später folgt noch ein Lauf „Mensch und Hund“, es herrscht ein maximales Gebelle bei den aufgeregten Hunden.

Ich setze meinen Weg fort und entscheide mich für Camping in Veulettes-sur-Mer und genieße den herrlichen Sommerabend mit einem Fläschchen Aligoté.